Balkonhäufigkeit und Wetter: Gibt es einen Zusammenhang?

Tja, als absoluter und für die Mitbürger leider oft penetranter Fachidiot ist man stets versucht alles Mögliche in Bezug zu seinem Fachgebiet zu bringen. Gut beim Wetter – so sehr der Verfasser nun auch versucht seien subjektive Brille abzulegen – ist das ja auch der Fall. Vieles wird eben doch vom Wetter beeinflusst.

Haus in Bayern
In Süddeutschland findet man in der traditionellen Bauweise häufiger Balkone oder Veranden, da hier die Windgeschwindigkeiten im Mittel geringer sind.

Wenn man kurz darüber nachdenkt, dann ist da doch was dran. Schaut man sich in der traditionellen Bebauung einmal um, so findet man in jeder Region althergebrachte Bauweisen, die auf das dort vorherrschende Wetter, - man könnte es auch Klima nennen - eingehen. In Südwest-Frankreich , im Département "Gers" (Dép.-Nr.: 32; Region: Midi-Pyrénées), ist die nach Westen ausgerichtete Seite der Häuser meist fensterlos. Dies aus gutem Grund, denn die Westwinde bringen häufig feuchtes und regnerisches Wetter. Und um sich vor den Unbilden des Westwindes zu schützen richtete man seine Häuser eben mit der Stirnseite nach Osten aus. Anzumerken sei, dass der Westwind in der Region auch als „bent de darre“ bezeichnet wird, also als Wind von der Rückseite. Jetzt ist das wiederum ein schönes Beispiel der Frage nach der Henn oder dem Ei.

In Deutschland lassen sich auch viele solcher Beispiele finden. Man muss nur mal in die Eifel oder in eines der vielen wundervollen Freilichtmuseen gehen, wo die traditionelle Bauweise noch ursprünglich erhalten ist. Im Gegensatz dazu vergisst die moderne Architektur manchmal diesen Erfahrungsschatz und die Vulnerabilität (Anfälligkeit) der Gebäude steigt.

Doch um jetzt den Bogen zu unseren Balkonen (oder in ausladenderer Form, zu Veranden) zu bekommen, soll erst einmal festgestellt werden, dass man in Süddeutschland bei traditioneller Bauweise (also alten Häusern) häufiger die an das Haus angebauten luftigen Aufenthaltsorte erblicken kann als im Norden Deutschlands. Um sich auf einem Balkon oder einer Veranda wohl zu fühlen, sollte man dort aber auch vor Kühle und Nässe geschützt sein.

Traditionell mehr Balkone in Süd- als in Norddeutschland

Jetzt ist es so, dass der Wind das meist entscheidende Zünglein an der Waage ist, das für den architektonischen Unterschied zwischen Nord und Süd sorgt. Denn starker Wind dringt eben besser in den Balkonbereich ein und sorgt zunächst für eine stärkere Abkühlung des Entspannung suchenden Menschen. Daneben kann der Regen bei stärkerem Wind besser unter jegliches Vordach eindringen und eben den entspannten Aufenthalt auf der Veranda oder auf einem Balkon nicht unbedingt zum wohligen Erlebnis machen (es sei man ist an einer spannenden Beobachtung vom Tropfengrößenverteilungen und den Einfluss auf die Größensortierung dieser durch Eckeneffekte, hervorgerufen durch die Bebauung, interessiert – wo wir im Übrigen wieder beim Fachidioten wären ;).

Haus in Norddeutschland
Aufgrund des im mIttel stärkeren Windes ist die traditionelle Bauweise in Norddeutschland weniger von offenen Bereichen geprägt.

Schräger Regen

Nun, um mal ein bisschen Zahlen zu geben. Nach dem schönen Büchlein „Technische Meteorologie“ von Wolfgang Böer (B.G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1964) fällt in Norddeutschland Regen im Mittel bei höheren Windgeschwindigkeiten als in Süddeutschland. Außerdem fällt beispielsweise bei Windstärke 5 der Regen in einem Winkel von 45° hernieder. D.h.: Bei dieser Windstärke erhält eine vertikale Fläche die gleiche Wassermenge wie eine horizontale Fläche. Der Regen dringt also besser in den Erholungsbereich ein, als bei Windstille. Jetzt ist es nach dem klimatologischen Mittel so, dass in Hamburg im Jahresdurchschnitt während 24% aller Niederschlagsstunden eine Windstärke 5 oder mehr herrscht. In München sind es dagegen nur 5% der Niederschlagsstunden im Jahr, die eine Windstärke von 5 oder mehr aufweisen.

Davon abgeleitet kann man eben sagen, dass man auch bei Regen den Balkon oder die Veranda in Süddeutschland generell eher nutzen kann als in Norddeutschland. Das haben unsere Vorfahren bemerkt und nach diesen Erkenntnissen früher gebaut.

In diesem Sinne der Einfluss vom Wetter findet sich fast überall … sagt der Meteorologe ;)

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