Alphatiere: Stressfaktor Führungsrolle – so wirkt sich Macht auf den Körper aus
Eine Gruppe anzuführen, kostet Kraft – das zeigt eine Studie an Perlhühnern. Besonders gestresst waren die Tiere, wenn ihre Führungsversuche scheiterten. Könnte das erklären, warum viele lieber im Hintergrund bleiben?

In der Tierwelt ist Kooperation überlebensnotwendig, denn wer sich im Kollektiv bewegt, profitiert vom Schutz der Gruppe. Doch nicht jedes Tier läuft einfach nur mit – einige übernehmen Führungsrollen und lenken die Bewegungen des Schwarms. Doch das Dasein als Alpha ist nicht nur vorteilhaft, wie nun eine Studie zeigt.
Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Konstanzer Exzellenzclusters Collective Behaviour konnte nachweisen, dass der Versuch, eine Führungsposition einzunehmen, bei Tieren messbaren Stress verursacht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht.
Herzfrequenz als Stressindikator
Die Forschenden analysierten das Verhalten freilebender Perlhühner in Kenia über einen Zeitraum von vier Monaten. Herzfrequenzmesser und GPS-Tracker dokumentierten dabei in Echtzeit die körperliche Verfassung und Bewegung der Tiere, mit dem Ziel, den physiologischen Preis von Führungsversuchen innerhalb der Gruppe zu untersuchen.

Die Ergebnisse zeigen, dass bereits der Versuch, die Gruppe in eine neue Richtung zu lenken, die Herzfrequenz der Tiere ansteigen ließ – ein klares Zeichen für erhöhten Stress. Besonders deutlich war das bei jenen Perlhühnern, die mit ihrer vorgeschlagenen Bewegungsrichtung bei der Gruppe scheiterten.
Demokratische Entscheidung mit Nebenwirkungen
„Wir haben bereits Belege dafür, dass diese Entscheidungsfindung wie ein Abstimmungsprozess funktioniert“, erklärt Damien Farine, Leiter der Studie. „Einige Individuen beginnen, sich von der Gruppe zu entfernen und eigenmächtig in eine bestimmte Richtung nach Nahrung zu suchen.“
Dieser demokratische Mechanismus hat seinen Preis: Die Herzfrequenz der Tiere steigt nicht nur beim Führen, sondern auch während des Gruppenmarschs allgemein. Tiere, die sich unabhängig bewegen, zeigen deutlich niedrigere Herzfrequenzwerte.

Parallel dazu nahm die sogenannte Herzfrequenzvariabilität bei den Anführern ab – ein weiterer Indikator für Stress. Das deutet auf einen höheren Energieverbrauch mit womöglich gesundheitlichen Folgen hin.
Scheitern als stärkster Stressfaktor
Besonders belastend scheint der Moment des Scheiterns zu sein: Wenn ein Tier versucht, in eine neue Richtung zu führen, aber keine Gefolgschaft findet, sind die physiologischen Belastungen am höchsten.
– James Klarevas-Irby, einer der Hauptautoren der Studie
Die dabei gemessenen Stressreaktionen könnten laut den Forschenden auch langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere haben. Sie sprechen von „physiologisch kostspieligem Verhalten“, das sich nicht immer auszahle.
Warum nicht alle führen wollen
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Verhaltensweisen, die oft als vorteilhaft für das Individuum angesehen werden – nämlich der Versuch, innerhalb der Gruppe die Führung zu übernehmen und so das Verhalten der gesamten Gruppe zu bestimmen – auch ihren Preis haben“, fasst Hanja Brandl, weitere Autorin der Studie, zusammen.

Die physiologische Belastung könnte erklären, warum viele Tiere lieber zweitrangig bleiben und sich der Mehrheitsmeinung anschließen, statt selbst Entscheidungen zu treffen. Die Forschenden gehen davon aus, dass die Studienergebnisse auch auf andere sozial lebende Tierarten übertragbar sind und womöglich sogar Parallelen zum menschlichen Verhalten aufweisen.
Quellenhinweis:
H. B. Brandl, J. A. Klarevas-Irby, D. Zuñiga, C. Hansen Wheat, C. Christensen, F. Omengo, C. Nzomo, W. Cherono, B. Nyaguthii & D. R. Farine (2025): The physiological cost of leadership in collective movements. Current Biology.