Inflation: Ein heißer Start ins All? Forscher erklären die Anfänge des Universums neu

Die Frage, wie alles begann, gehört zu den großen Rätseln der Menschheit – und der Wissenschaft. Physiker stellen nun eine neue Theorie dazu vor, wie sich das Universum in seiner Anfangsphase entwickelt haben könnte.

Künstlerische Darstellung der Ausdehnung des Universums
Künstlerische Darstellung der Ausdehnung des Universums. Bild: pixelparticle/iStock

Die erste Phase nach dem Urknall, in der sich das Universum blitzartig ausgedehnt hat, wird auch Inflation genannt. Das Standardmodell der Kosmologie geht davon aus, dass das in einem eiskalten, leeren Raum passiert ist. Eine aktuelle Studie schlägt nun ein neues Szenario vor: Die Inflation hat in einer warmen, brodelnden Umgebung aus bekannten physikalischen Teilchen stattgefunden.

Als Inflation wird die erste kurze Phase nach dem Urknall bezeichnet, die weniger als eine Mikrosekunde andauerte und in der sich das Universum um mindestens den Faktor 1026 ausdehnte. Die Zeit wird auch GUT-Ära genannt (Grand Unified Theory).

Die Arbeit des Max-Planck-Instituts für Physik widerspricht damit dem gängigen Bild eines kalten Ursprungs. Stattdessen deutet sie darauf hin, dass die bekannten Gesetze der Teilchenphysik womöglich schon ausreichen, um die Geburt des Kosmos zu erklären. Auf exotische neue Kräfte oder Teilchen, die nur in der Theorie existieren, könne somit verzichtet werden.

Ein Universum im Wärmebad

„Mit unserer Studie zeigen wir einen völlig neuen Weg für warme Inflation“, sagt Sebastian Zell, Wissenschaftler in der Abteilung Kosmologie und Teilchenphysik am Max-Planck-Institut für Physik. „Schon während sich das frühe Universum ausgedehnt hat, könnte es in ein Wärmebad aus bekannten Elementarteilchen getaucht gewesen sein.“

Nach der gängigen Lehrmeinung dehnte sich das junge Universum nach dem Urknall in einem Zustand extremer Kälte aus. Erst später, durch einen bis heute ungeklärten Vorgang, konnte sich heißes Plasma entzünden, aus dem dann Sterne und Galaxien hervorgingen. Das neue Modell stellt diese Vorstellung infrage: Die Inflation selbst, also die Phase der rasanten Ausdehnung in den ersten Sekundenbruchteilen, könnte bereits „warm“ gewesen sein – indem sie sich durch Energie aus bekannten physikalischen Wechselwirkungen speiste.

Illustration der zeitlichen und räumlichen Entwicklung des Universums, beginnend beim Urknall
Illustration der zeitlichen und räumlichen Entwicklung des Universums, beginnend beim Urknall. Bild: NASA/WMAP Science Team

Damit kommt das neue Modell weitgehend ohne hypothetische Erweiterungen aus. Es beruht hauptsächlich auf dem Standardmodell der Teilchenphysik, also auf jenen Teilchen und Kräften, die seit Jahrzehnten erforscht sind, darunter auch die sogenannte starke Kraft, die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält.

Starke Kraft als kosmischer Motor

Ganz ohne neue Annahmen geht es jedoch nicht. Denn die Forscher vermuten, dass ein axionähnliches Teilchen eine wichtige Rolle spielt – solche Teilchen existieren bisher nur hypothetisch, könnten aber gleich mehrere Rätsel lösen, etwa die Frage nach der Dunklen Materie. In ihrem Modell koppelt ein Axion-Feld an Gluonen, die Vermittlerteilchen der starken Kraft, wodurch Energie freigesetzt wird.

„Die Kopplung dieser Teilchen an die starke Kraft liefert die Energie, um das expandierende Universum aufzuheizen. Damit kann warme Inflation stattfinden.“

– Sebastian Zell, Abteilung Kosmologie und Teilchenphysik, Max-Planck-Institut für Physik

Das Aufheizen geschieht nicht explosiv, sondern allmählich, ähnlich wie Reibung, die Bewegungsenergie in Wärme umwandelt. Die starke Wechselwirkung sorgt also dafür, dass das Universum schon während der Inflation ein thermisches Bad durchlief.

Vom Labor in den Kosmos

Das Neue an dieser Theorie ist, dass sie prinzipiell experimentell überprüfbar ist. Während viele frühere Modelle der Inflation auf hypothetische Kräfte oder Teilchen setzten, die sich jeder Beobachtung entziehen, knüpft das Münchner Team an bekannte Phänomene an. Das Modell lasse sich mit den gut untersuchten Teilchen und Kräften des Standardmodells beschreiben, so Zell. Damit seien die ersten Momente des Universums grundsätzlich für Messungen auf der Erde zugänglich.

Angesichts der laufenden Experimente sehen wir eine realistische Chance, die warme Inflation in Zukunft experimentell zu überprüfen.

Ein wichtiger Ansatzpunkt sind die erwähnten Axion-Teilchen. Zahlreiche Experimente suchen derzeit nach ihnen, unter anderem das Projekt MADMAX, an dem das Max-Planck-Institut für Physik federführend beteiligt ist. Sollte es gelingen, Axionen nachzuweisen, wäre das ein doppelter Erfolg: Zum einen könnte damit ein Kandidat für die Dunkle Materie bestätigt werden, zum anderen ließe sich das neue Szenario der warmen Inflation stützen.

Verbindung zur Teilchenphysik

Über die neue kosmologische Idee hinaus liegt die Bedeutung der Studie also auch in der Teilchenphysik: Die Arbeit verbindet den größten mit dem allerkleinsten Maßstab, die ersten Momente des Universums und die mikroskopischen Kräfte, welche die Atome zusammenhalten.

Außerdem zeigt die Studie erstmals, dass eine warme Inflation mit den bekannten Wechselwirkungen des Standardmodells möglich ist. Sie kommt mit nur wenigen zusätzlichen Annahmen aus und bleibt zugleich mit den aktuellen Beobachtungen vereinbar, etwa mit Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Sollte sich die Idee bestätigen, wäre sie ein Meilenstein in der Kosmologie: Der Beginn des Universums ließe sich dann vielleicht auch in Teilchenexperimenten auf der Erde erforschen.

Quellenhinweis:

Berghaus, K. V., Drewes, M., & Zell, S. (2025): Warm Inflation with the Standard Model. Physical Review Letters, 135, 171002.