Bestehen Neptun und Uranus aus Stein? Neue Datenlage weist auf unerwartete Zusammensetzung hin
Lange hatte man geglaubt, die beiden äußersten Planeten des Sonnensystems würden aus Eis und Gas bestehen. Doch das wurde nun widerlegt. Uranus und Neptun könnten demnach ganz anders aufgebaut sein, als es bisherige Lehrbücher nahelegen.

Forschende stellen eines der stabilsten Ordnungssysteme der Planetenforschung infrage, die Einteilung in Gesteins-, Gas- und Eisriesen. Neuesten Untersuchungen zufolge könnten die beiden äußersten Planeten des Sonnensystems deutlich mehr Gestein enthalten – und somit weniger eisig sein –, als lange angenommen.
Nach der traditionellen Sicht sollten Uranus und Neptun vor allem aus gefrorenen, volatilen Stoffen bestehen, beispielsweise Wasser, Methan und Ammoniak. Das Forschungsteam der Universität Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS hält die bisherige Klassifikation für zu einfach. Interessanterweise knüpft die Studie an jüngste Erkenntnisse über Pluto an, dessen innere Struktur ebenfalls weit mehr Gestein aufweist als vermutet.
Um die Bauweise der beiden fernen Planeten neu beurteilen zu können, entwickelten die Wissenschaftler zunächst ein eigenes Simulationsverfahren. „Die Einstufung als Eisriesen ist möglicherweise zu stark vereinfacht, da die beiden Planeten nur unzureichend verstanden werden“, erklärt Luca Morf, Doktorand an der Universität Zürich und Hauptautor der Studie.
Das Team begann mit zufällig erzeugten inneren Dichteprofilen und berechnete daraus das zugehörige Gravitationsfeld – das wurde dann mit Messdaten abgeglichen. Aus der Übereinstimmung ließ sich wiederum ableiten, welche Materialien dann vorhanden sein müssen. Der Vorgang wurde tausendfach wiederholt, bis ein Set von Modellen vorlag, das sowohl den physikalischen Gesetzen als auch den beobachteten Daten entsprach.

Selbst die Forschenden waren überrascht, dass die inneren Schichten von Uranus und Neptun keineswegs von Eis dominiert sein müssen. Vielmehr lassen die Berechnungen auch zu, dass es im Innern viel mehr Stein geben könnte als bisher erwartet.
– Ravit Helled, Professorin für Astrophysik und Direktorin von UZH Space
Auch die Magnetfelder beider Planeten können nun besser beurteilt werden. Anders als das ziemlich stabile Dipolfeld der Erde zeigen Uranus und Neptun nämlich chaotische, multipolare Strukturen. „Wir haben zudem festgestellt, dass das Magnetfeld des Uranus tiefer liegen könnte als dasjenige von Neptun“, erklärt Ravit Helled, die Direktorin von UZH Space. Dadurch könnte sich langfristig klären, warum sich die Magnetosphären von Uranus und Neptun so stark von denen anderer Planeten unterscheiden.
Trotz allem weiß die Materialwissenschaft noch wenig darüber, wie Gestein, Wasser oder exotische Stoffe unter extremen Bedingungen reagieren. „Physiker verstehen noch immer kaum, wie sich Materialien unter den Druck- und Temperaturbedingungen im Inneren eines Planeten verhalten“, sagt Morf. Das könnte die Ergebnisse letztlich noch einmal beeinflussen.

Die Studie eröffnet insgesamt neue Möglichkeiten, die äußeren Planeten zu erforschen. Mit dem neu entwickelten Verfahren könnten künftig planetare Innenstrukturen realistischer ermittelt werden. Gleichzeitig werden die Grenzen der Fernerkundung aufgezeigt.
Die Daten würden derzeit noch nicht ausreichen, Eis und Gestein mit Gewissheit zu unterscheiden. Dazu bräuchte es wohl gezielte Missionen zu Uranus und Neptun“, fasst Helled zusammen. Bis solche Missionen umgesetzt werden, bleibt das Innenleben der mysteriösen Planeten eines der großen Rätsel unseres Sonnensystems.
Quellenhinweis:
Morf, L., & Helled, R. (2025): Icy or rocky? Convective or stable? New interior models of Uranus and Neptune. Astronomy & Astrophysics.