Meteorologe redet Tacheles: Hitzerekorde sprengen Grenzen – und Deutschland? "Fatal ahnungslos"

Während rund um den Globus eine extreme Hitzewelle tobt, erlebt Deutschland einen vergleichsweise milden Sommer – ein gefährlicher Trugschluss?

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Weltweit schießen die Temperatuten in diesem Sommer immer weiter in die Höhe, nur in Deutschland nicht. Statt uns darüber zu freuen, dass uns die Extremhitze verschont, gibt es Hohn und Spott in Sachen globaler Erwärmung.

In den letzten Wochen überschlagen sich die Wetterrekorde: In den USA sorgt ein gewaltiger Heat Dome für tagelange Gluthitze mit Temperaturen weit über 40 Grad – inklusive Waldbränden und Stromausfällen. Skandinavien meldet die heißeste Hitzewelle seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, mit 38 Grad im Schatten – in Regionen, die für mildes Sommerwetter bekannt sind. In Südeuropa herrscht Dauerhitze: Sizilien meldete 46,5 °C, in Griechenland gab es tagelang Werte zwischen 43 und 45 Grad, die Türkei knackte mit 50,5 °C die psychologisch wie physisch bedrohliche Grenze. Im Iran kämpfen Millionen mit einer Trinkwasserkrise infolge einer extremen Dürre, die sich auf Landwirtschaft, Alltag und Lebensqualität massiv auswirkt.

Diese Ereignisse stehen nicht für sich, sondern sind Teil eines globalen Wettermusters, das stark vom Klimawandel beeinflusst wird. El Niño, veränderte Jetstreams und aufgeheizte Ozeane liefern Energie für Hitzewellen, die früher und intensiver einsetzen als je zuvor.

Und Deutschland? Sommer auf Sparflamme

Während weite Teile der Welt unter extremer Hitze ächzen, fragt man sich hierzulande: Wo bleibt der Sommer? Statt Hitzerekorden erleben viele Regionen in Deutschland einen wechselhaften, kühlen und nassen Juli. Von den apokalyptischen Szenarien, die manche Klimamodelle für Mitteleuropa zeichnen – mit wochenlangen Temperaturen über 40 Grad, ausgedörrten Landschaften und tödlicher Hitzebelastung – ist bisher wenig zu spüren.

Doch das ist kein Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil: Diese „Atempause“ könnte trügerisch sein. Wetter ist nicht das Klima, und der Umstand, dass Deutschland dieses Jahr von Extremwerten verschont bleibt, ist eher ein Zufall meteorologischer Verteilungen als ein Zeichen für Normalität. Bereits 2018, 2019 und 2022 hatten wir schwere Dürren und Hitzetage in Serie – das darf man nicht vergessen.

Ignoranz am Küchentisch – wie Klimawahrnehmung scheitert

Erstaunlich ist, wie viele Menschen sich in ihrer Wahrnehmung allein auf das eigene Fenster oder den Regenschirm verlassen. Aussagen wie „Was für ein Klimawandel? Es regnet doch!“ oder „Früher war’s auch mal heiß!“ sind bezeichnend für eine dramatische Fehleinschätzung. Dabei sind die Daten und Bilder aus aller Welt eindeutig: Die globale Mitteltemperatur ist im Steigflug, die Hitzeextreme häufen sich, und das Zeitfenster zum Handeln wird enger.

Diese Haltung ist nicht nur fahrlässig, sie ist auch gefährlich, weil sie die gesellschaftliche Akzeptanz für notwendige Klimaschutzmaßnahmen untergräbt. Wer nur bis zur eigenen Haustür denkt, verkennt die globale Dimension der Krise – und die Verflechtungen, die auch Deutschland treffen werden, etwa durch Wirtschaftsverflechtungen, Migrationsdruck oder Ernteausfälle.

Ein Land ohne Hitzeschutz – ein unterschätztes Risiko

Deutschland ist auf echte Extremhitze schlicht nicht vorbereitet. Unsere Städte sind versiegelt, Kühlinfrastruktur wie Klimaanlagen fehlt in weiten Teilen, und viele ältere Menschen leben in Wohnungen, die sich bei länger anhaltender Hitze lebensbedrohlich aufheizen können. Wäre es in diesem Sommer tatsächlich zu mehreren Wochen über 40 Grad gekommen – wie es in manchen Modellen simuliert wurde – dann hätte das System ernsthafte Ausfälle erlebt: im Gesundheitswesen, in der Energieversorgung, bei der Mobilität.

Hitzetote, Ernteverluste, Gebäudeschäden durch Materialermüdung, Stromausfälle durch Überlastung – all das sind reale Szenarien, die anderswo bereits Wirklichkeit wurden. Die derzeitige „Ruhe“ in Deutschland sollte daher nicht beruhigen, sondern als Chance zur Vorbereitung genutzt werden.

Fazit: Glück gehabt – aber nicht sicher

Deutschland hat in diesem Sommer bislang Glück gehabt. Doch es wäre ein schwerer Fehler, daraus den Schluss zu ziehen, dass der Klimawandel übertrieben oder gar erfunden sei. Die Welt brennt – wortwörtlich – und die Hitzerekorde reißen nicht ab. Die Frage ist nicht ob, sondern wann Deutschland wieder massiv betroffen ist.

Jetzt ist der Moment, um zu handeln, bevor uns die nächste Welle unvorbereitet trifft. Denn die Erfahrung zeigt: Was heute in Südeuropa oder den USA passiert, ist morgen auch bei uns möglich.