Lavendel, Veilchen und Jasmin: Diese Stadt ist das gelobte Land für Parfümeure

Ein kleines gallisches Dorf im 18. Jahrhundert, im Süden Frankreichs, nur wenige Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt. Ganz normal, fast unscheinbar sieht es aus, wie es sich da an einen Ausläufer der Seealpen drängt. Aber über dem Dorf liegt eine Duftglocke, die anders ist als die anderer Orte – selbst in einer Zeit, als menschliches Leben für gewöhnlich von diversen, fast immer unangenehmen Gerüchen begleitet war.

Himmel und Hölle: Zwei geruchsintensive Handwerke

„Dieser zugleich unansehnliche und selbstbewusste Ort war die Stadt Grasse, seit einigen Jahrzehnten unumstrittene Produktions- und Handelsmetropole für Duftstoffe, Parfümeriewaren, Seifen und Öle.“ So schilderte Romancier Patrick Süskind das Dorf in seinem Welt-Bestseller „Das Parfum“, der in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag feiert.

Unansehnlich war das Städtchen im Hinterland von Cannes zu Zeiten seines Romanhelden Jean-Baptiste Grenouille, weil es damals außer von der Tätigkeit der Parfümeure auch von der der Gerber geprägt oder vielmehr geplagt war – zwei Gewerbe, die Grasse in Geruchsschwaden hüllten, wie sie gegensätzlicher und intensiver kaum sein könnten.

Schuld an dem Zusammentreffen der beiden Industrien war Katharina von Medici. Sie machte die italienische Mode parfümierter Handschuhe in Frankreich gesellschaftsfähig. Bald ließen sich Parfümeure nieder, wo die Handschuhmacher zu Hause waren: in Grasse. An Ort und Stelle veredelten sie deren Produkte mit dem Duft von Lavendel, Veilchen, Jasmin, Narzissen oder Maiglöckchen.

Eintauchen in die Wunderwelt der Düfte

Grasse inspirierte nicht nur Süskind zu seinem großen Wurf, es ist noch immer Heimat der großen Namen in der Welt der Düfte, die hier ihre Essenzen kaufen. Seit 2018 ist die Tradition der Parfumherstellung in und um Grasse UNESCO-Weltkulturerbe. Parfum-Workshops und ein Parfum-Museum machen die Kunst der Duft-Komposition auch Urlaubern zugänglich.

Auch wenn auf der Place aux Aires in der Altstadt schon lange keine Gerber mehr ihrer Arbeit nachgehen, duftet das oberhalb von Cannes gelegenen Städtchen noch immer intensiv. Dabei sind die Parfümfabriken aus der Innenstadt verschwunden und an die Peripherie verbannt – der Gebrauch von Chemikalien macht sie zu gefährlich für eine Zentrumslage.

Der Duft von Jasmin und Maiglöckchen

30 Parfümhersteller sind in und um Grasse ansässig. Obwohl viele Blütenextrakte in Fernost günstiger zu bekommen sind, haben die Aromen von Grasse nach wie vor Weltklasse-Ruf. Manches Haus veredelt seine Düfte in der konzentrierten Parfüm-Version mit Jasmin aus Grasse, während für höher verdünntes Eau de Toilette auf Jasmin von den preiswerteren Märkten zurückgegriffen wird. Trotzdem ist die Herstellung von Essenzen für Parfüms und Eau de Toilette für viele Unternehmen hier nicht mehr der Hauptverdienst, sondern vielmehr die Produktion von Aromen für die Lebensmittelindustrie.