Klingen und Kirchen: Dieses Städtchen besitzt Kultur, Geschichte und jede Menge Birnen
Eine kleine Stadt im Mostviertel in Niederösterreich verströmt im Licht des Spätsommers ganz besonderen Zauber. Dazu ist ihre Umgebung ein perfektes Ziel zum Wandern, Radeln und dem Verkosten von Most.

Aus der Silhouette des Städtchens ragen Kirch-, Wehr- und Stadttürme aus dem Mittelalter und künden von der langen Geschichte von Waidhofen an der Ybbs. Die Altstadt ist mit Höfen, Arkaden, Geschäften und Cafés bildschön, die Lage steht dem in nichts nach: Rund um das Städtchen mit 11.000 Einwohnern erstrecken sich Wiesen, Wälder und die Obsthaine des Mostviertels.
Sensen, Sicheln und Krüge voll Most
„Eisen und Stahl ernähren diese Stadt", steht am Ybbstor im letzten Turm der mittelalterlichen Befestigung Waidhofens in lateinischer Sprache zu lesen. Denn einst waren hier 100 Messerschmiede, 60 Klingen- und 26 Zirkelschmiede ansässig. Schließlich wurde am steirischen Erzberg seit dem 12. Jahrhundert Erz abgebaut; Waidhofen war ein wichtiges Zentrum der Eisenverarbeitung.
Noch im 18. Jahrhundert entstanden in Waidhofen 360.000 Sensen und 200.000 Sicheln pro Jahr. Doch Klingen sind nicht alles im Leben; vor allem, wenn die Erntezeit sich langsam dem Ende zuneigt. Deshalb saßen schon die Schmiede nach der Arbeit gerne bei einem Krug Most. Was im Frühling mit einer eindrucksvollen Obstblüte beginnt, die aus der Ferne an eine hauchzarte Schneeschicht erinnert, verwandelt sich im Spätsommer in süße Früchte.
Barocke Fresken und heilige Gebeine
„Wir sind ein gesegnetes Land", erklärt augenzwinkernd ein Stadtführer. „Wir haben besonders viele Kirchen und Klöster." Hinzu kommen Knochen. In der Basilika Sonntagberg hoch über Waidhofen sind außer barocken Deckenfresken auch die Gebeine der Heiligen Felicitas und Prospera zu besichtigen: Ihre Skelette liegen, in kostbare Gewänder gehüllt, in gläsernen Särgen und verleihen der Wiener Redensart von der „schönen Leich’“ eine ganz neue Bedeutung.
Das über der Ybbs gelegene Schloss Rothschild war einst Bischofsitz und ist heute Konzertspielort und Sitz eines interaktiven Museums, das die Stadtgeschichte anhand der fünf Elemente erzählt. So wird das Interieur nicht nur dem modernisierten Erscheinungsbild gerecht, es beweist auch, dass man sich an der Ybbs auf der Historie nicht ausruht.
Wer sich losreißen kann von Waidhofen, findet im Mostviertel ein ideales Wander- und Radelgebiet sowie zahlreiche Möglichkeiten zur Einkehr auf ein Glas Most.
Europas größtes Birnbaumgebiet
Noch nach dem Zweiten Weltkrieg überzogen die Blüten von einer Million Birnbäume die Hügellandschaft im Frühling mit einem hellen Schleier, dann ging es bergab – weil das Abholzen der Bäume höhere Gewinne abwarf als ihre Ernte. 300 Sorten und 300.000 Bäume machen das Mostviertel aber noch immer zum größten zusammenhängenden Birnbaumgebiet Europas.