Die Lage spitzt sich zu: Dem Nahen Osten droht Wasser- und Hitzekollaps

Der Nahe Osten ist wegen des Konfliktes zwischen Israel und der palästinensischen Hamas medial sehr präsent. Die Bilder der hungernden und leidenden Bevölkerung im Gaza-Gebiet beschäftigen uns täglich. Eine ganz andere Krise als Folge der Klimaveränderungen entwickelt sich dagegen medial weitgehend unbemerkt.

Weniger Wasser im Euphrat - und in großen Teilen des Nahen Ostens

Basra, eine Stadt im Südirak mit 1,5 Millionen Einwohnern, ist nur eine von vielen hitzegeplagten Städten des Nahen Ostens. DIe Stadt trug früher den Beinamen „Venedig des Ostens".

Grund dafür war sein weitverzweigtes Netz an befahrbaren Kanälen. Basra war einst eine grüne Stadt mit blühenden Gärten. Und das ist Basra heute: stinkende Rinnsale, von Sonne und Salz verbrannte Erde. Die Hitze im Sommer ist mörderisch. Wieder einmal wurde bereits im Juni vor einer „noch nie dagewesenen“ Wasserkatastrophe gewarnt.

Die Situation im Iran

Die Bevölkerung der iranischen Hauptstadt Teheran, tausend Kilometer nördlich von Basra, wird auf zehn Millionen Menschen geschätzt. Wer in Teheran im falschen Viertel in der falschen Etage wohnt, kann dem Wasser zusehen, wie es nur tröpfchenweise aus dem Hahn rinnt. Der Wasserdruck wurde abgesenkt, damit die auf 14 Prozent gesunkenen Wasserreserven noch etwas länger halten. Es gibt Abschaltungen von bis zu zwei Tagen. Dann funktionieren natürlich auch die Toiletten nicht.

Eine Hitzewelle bisher nicht bekannten Ausmaßes belastet die Wasser- und Stromversorgung des Landes. Die lokalen Behörden sahen sich veranlasst, am 5.8. die Schließung öffentlicher Gebäude und Banken in der Hauptstadt Teheran und mehreren anderen Provinzen anzuordnen, wie lokale Medien berichteten. Medizinische Einrichtungen bleiben geöffnet.

Die meteorologische Organisation des Landes hat neun der 31 Provinzen des Landes zumindest für den Rest der Woche in Alarmstufe Orange versetzt und in einigen Gebieten für mehrere Tage Höchstwerte von bis zu 50 Grad Celsius vorhergesagt.

Hohe Temperaturen sind im Iran in den Sommermonaten üblich. In diesem Jahr hat die Situation dramatische Folgen. So sind die Stauseen nach wiederholten Dürrephasen fast leer. Die Stromversorgung des Landes hat Mühe, aufrecht erhalten zu werden, wenn die Klimaanlagen in Haushalten und an Arbeitsplätzen aufgedreht werden.

Warnungen der iranischen Regierung an die Bevölkerung

Der iranische Präsident Masoud Pezeshkian warnte die Bevölkerung, dass der übermäßige Wasserverbrauch des Landes unhaltbar sei und sich Städte wie Teheran bis September auf schwere Engpässe vorbereiten sollten.

Der Hitze- und Wasserkollaps ist kaum überraschend. Seit Jahrzehnten wird dem Iran der Kollaps seiner Strom- und Wasserversorgung vorausgesagt. Das Land geht sehr verschwenderisch mit der Ressource Wasser um. 90 Prozent des Wassers werden in einer ineffizienten Landwirtschaft verbraucht.

Präsident Pezeshkian hat auch eine alte Debatte wieder angestoßen: Die Regierung erwäge „ernsthaft die Verlegung der Hauptstadt. Es gäbe wirklich kein Wasser mehr in Teheran, sagte er. Die gewählte neue Hauptstadtregion wäre die Makran-Küste am Golf von Oman. Dort gibt es tatsächlich Entwicklungsprojekte, aber das Gebiet ist laut Experten noch immer stark unterentwickelt, gerade was die Wasserinfrastruktur betrifft.

Irak - Teil II

Im Nachbarland Irak sieht es nicht besser aus: der trockenste Sommer seit 1933, die Wasserreserven sind auf acht Prozent gesunken. Der durch den Klimawandel bedingte Temperaturanstieg liegt weit über dem Durchschnitt. Die schlimmsten Prognosen für den Südirak sehen einen (weiteren) Anstieg von 5,6 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Bagdad schaffte es vor ein paar Tagen mit 51 Grad in die internationalen Medien.

Das einstige „Venedig des Ostens“, Basra, ist längst in die Kategorie „potenziell unbewohnbar“ gekippt. Die Stadt liegt unterhalb des Zusammenflusses von Euphrat und Tigris. Die Flüsse des Zweistromlands bringen immer weniger Wasser aus dem Norden.

In welches der betroffenen Länder man schaut, es steckt immer ein Ursachenmix hinter der Entwicklung: korrupte Verwaltungen, eine kaputte Infrastruktur und schlechte Landwirtschaftspolitik. Zu all diesen Miseren kommen die Folgen der Klimaveränderungen hinzu.

Landflucht in Syrien

In Syrien trifft die diesjährige Trockenheit auf eine Bevölkerung, die von Krieg und wirtschaftlicher Not völlig erschöpft ist. Schon vor fünf Jahren hieß es, dass im Vergleich mit der Vorkriegszeit nur mehr die Hälfte des Trinkwassers zur Verfügung steht.

In den Nullerjahren gab es eine anhaltende Dürre, die die Menschen vom Land in die Städte trieb – und das Potenzial für den Aufstand gegen das Assad-Regime verschärfte. Die Landflucht geht aber auch heute unvermindert weiter, es gibt in Syrien schon heute zahlreiche interne Klimaflüchtlinge.

In diesem Sommer sind die meisten Bewohner von Damaskus auf Wasser aus Tankwagen angewiesen. Da die Wasserreservoire für die Öffentlichkeit fast leer sind, entstan eine Schattenwirtschaft der Ressource Wasser. Die Folgen sind mafiöse Strukturen, die den Handel mit Wasser monopolisiert haben. In Aleppo sind die Preise für Wasser auf dem „freien Markt“ in den vergangenen zwei Jahren um 200 Prozent gestiegen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung sind auf dieses Wasser angewiesen.

Mit einem Anstieg von 1,2 Grad steigt die Wahrscheinlichkeit von Trockenperioden von einmal in 250 Jahren auf einmal in zehn Jahren, errechnete der syrische Agrarexperte Jalal al-Attar. Nicht nur der Regen bleibt aus, durch die hohen Temperaturen ist die Verdunstung viel höher.

Von 1972 bis 2015 hat sich die Wassermenge, die der Euphrat liefert, um 40 Prozent verringert. Wie der Irak hat Syrien das Problem, dass der nördliche Nachbar, die Türkei, ihm mit Staudämmen buchstäblich das Wasser abgräbt.

Drei Beispiele - eine Hauptursache

Diese genannten Beispiele verdeutlichen die Folgen des Klimawandels in einer Region, die ohnehin von inneren und äußeren Unruhen geplagt ist. Wir in unserem noch relativ „gemütlichen“ Mitteleuropa nehmen die zunehmende Anzahl an Hitzeperioden bei uns durchaus zur Kenntnis. Auch wir wissen, dass die Bestände der lebensnotwendigen Ressource Wasser abnimmt.

Es geht mir bei diesem Artikel darum, uns alle zu sensibilisieren, dass es in der Welt bereits Regionen gibt, denen die Unbewohnbarkeit als Folge der Klimakrise droht. Das Thema des Weltklimas und der Erderwärmung als unmittelbarste Veränderung spielt in unserem Denken und Handeln politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich eine eher untergeordnete Rolle.