Boden unter vielen Städten Chinas sackt ab

Eine neue Studie einer chinsischen Universität zeigt, dass der Boden
unter Chinas Städten langsam, aber stetig absackt. Die Gründe dafür sind
der Bauboom und die Grundwasserentnahme. Die weitreichenden Folgen
zeigen sich bereits heute.

China Subsidence (KI-Bild)
Viele Chinas Städte sind durch Bodenabsenkungen bedroht

Ein Forschungsteam der South China Normal University in Foshan hat anhand Satellitenmessungen ermittelt, dass fast die Hälfte der städtischen Gebiete in China bereits heute mit einer Geschwindigkeit von mehr als drei Millimetern pro Jahr absinken. Von den 82 untersuchten Städten zeigen 16 Prozent sogar ein Absinken um mehr als zehn Millimeter pro Jahr. Die Studie des Forschungsteams wurde am 18.4. im Fachmagazin Science veröffentlicht.

Wie relevant sind kleine Veränderungen?

Eine jährliche Veränderung um drei bis zehn Millimeter klingt auf den ersten Blick als wenig und unbedeutend. Besonders in küstennahen Regionen kann diese Rate aber verheerende Folgen haben. Die Wissenschaftler schätzen, dass aufgrund der Kombination von Bodenabsenkung und Meeresspiegelanstieg diesen Regionen in den nächsten hundert Jahren ein geschätzter Flächenverlust von einem Viertel droht, das unter dem Niveau des Meeresspiegels absinken könnte.

Große Teile der Bevölkerung seien von einem hohen Risiko an Überschwemmungen bedroht. Auch direkte Schäden an Gebäuden und Fundamenten, an der städtischen Infrastruktur sowie vor allen Dingen an der städtischen Kanalisation wären eine Folge dieser drohenden Gefahren, wie das Forscherteam schrieb.

Bodenabsenkung hat menschengemachte Ursachen

Der Studie zufolge gehört auch die Hauptstadt Beijing zu den von Absenkung stark betroffenen Städten. Auch die Provinzhauptstädte Fuzhou, Hefei und Xi’an seien betroffen. Von der Megastadt Shanghai wird berichtet, dass sich manche Stadtgebiete im vergangenen Jahrhundert bereits um bis knapp drei Meter abgesenkt haben. Im Jahr 2020 lebten insgesamt 920 Millionen Menschen in den städtischen Gebieten Chinas. Geschätzte 270 Millionen leben in Häusern auf sinkendem Boden.

Die Veränderungen des Bodens wurde durch das Forschungsteam mit verschiedensten menschengemachten Faktoren in Verbindung gebracht. So gehöhrten die Entnahme von Grundwasser und das Gewicht von Gebäuden auf eher instabilen Böden zu den Hauptursachen. China hat in den vergangenen Jahrzehnten eine der schnellsten und umfangreichsten Stadterweiterungen in der Geschichte der Menschheit erlebt. Die Erstellung der Bausubstanzen erfolgte oft unter hohem Zeitdruck. Geologische Bodenuntersuchungen und Stabilitätskriterien waren unter dieser Prämisse oft sekundär.

Schutz ist möglich

»Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Schutzmaßnahmen zu verstärken und die Grundwasserentnahme streng zu kontrollieren«, so die Übersetzung einer Aussage der Studie. Auch in China müssten langfristige Kontrollen sowie nachhaltigeres Wassermanagement die Absenkungsrate stabilisieren. In den japanischen Städten Tokio und Osaka, die mit der gleichen Problematik der Bodenabsenkung zu kämpfen haben, werde das bereits erfolgreich umgesetzt. So verlangsamte Tokio seine Absenkung von 240 mm pro Jahr in den 1960er Jahren auf etwa 10 mm pro Jahr in den frühen 2000er Jahren, nachdem Gesetze erlassen wurden, die das Abpumpen von Grundwasser einschränkten. Auch im oben zitierten Shanghai wurde die Geschwindigkeit des Absinkens auf etwa 5 mm reduziert, nachdem eine Reihe von Umweltvorschriften eingeführt wurden.

Weltweites Phänomen

Bodenabsenkung ist ein Phänomen, das auch in vielen anderen Teilen der Welt erhebliche Probleme verursacht. Häufig wird es durch menschliche Aktivitäten wie die Übernutzung von Grundwasser, intensive Bebauung oder Öl- und Gasförderung verursacht. Aber auch natürliche, geologische Faktoren können eine Rolle spielen. Städte, die für ihre Probleme mit Bodenabsenkungen bekannt sind, sind beispielsweise Venedig, Mexiko-Stadt und Miami.

In den bekanntermaßen tief gelegenen Niederlanden liegt etwa ein Viertel des Landes unter den Meeresspiegel.

Schätzungen laufen darauf hinaus, dass bis 2040 voraussichtlich fast ein Fünftel der Weltbevölkerung auf sinkendem Land leben könnte.

In Indonesien hat sich die Hauptstadt Jakarta zur am schnellsten sinkenden Hauptstadt der Welt entwickelt. Dies hat die Regierung bereits veranlasse, eine neue Hauptstadt vorzuschlagen.

Mehr als 44.000 Quadratkilometer Land in 45 Bundesstaaten sind in den Vereinigten Staaten direkt von Bodenabsenkungen betroffen. Über 80 % der Fälle seien auf die Entnahme von Grundwasser zurückzuführen, überwiegend für landwirtschaftliche Zwecke.

Auf der Liste der chinesischen Studie stehen auch Städte im weitgehend landumschlossenen Südwesten des Landes wie Kunming, Nanning und Guiyang. Dies war für das Forscherteam durchaus überraschend, denn diese Städte sind nicht so dicht besiedelt oder industrialisiert wie andere Teile Chinas.

Die Studie betont, dass der Schlüssel zur Bewältigung der Absenkung der chinesischen Städte in der langfristigen, nachhaltigen Kontrolle der Grundwasserentnahme läge. So verbliebe als Element der Absenkung hauptsächlich die Bodenverdichtung durch Neubauten. Hier wird in der Studie explizit das Gewicht von Gebäuden genannt. Sorgfältigere Bodenuntersuchungen bei Neubauten seien notwendig.

Wei Meng, Geophysiker an der Graduate School für Oceanographie der Universität Rhode Island in Kingston, hält einem Bericht des Magazins Nature zufolge die Zahlen der chinesischen Studie für »erschreckend«. Bereits im Jahr 2022 stellten er und seine Kollegen fest, dass in vielen Küstenstädten weltweit das Land schneller sank als der Meeresspiegel stieg. Sie prognostizierten, dass diese Städte »viel früher« von Überschwemmungen betroffen sein würden, als von Meeresspiegelmodellen prognostiziert, wenn sie weiterhin mit der damals ermittelten Geschwindigkeit sinken würden.

Die Studie erwähnt auch künstliche Deichsysteme als Schutz der Küstenstädte vor Überflutungen.

Versuch eines Fazits

Jeder Schutz ist immer nur eine Lösung mangelnder Prävention. Den systemischen Kampf der menschengemachten Veränderungen entscheidet am Ende die Natur. Wo und wie sich dieser Kampf abspielt, zeigt auch diese neue Studie. Es darf keine Rolle spielen, wen es zuerst trifft, also Kalifornien, New York, Florida, Indonesien oder China. Zur Wahrheit gehört wie bei allen Themen rund um den Klimawandel, dass die Weltgemeinschaft darauf reagieren muss, was Studien wie diese bestätigen.