Trump-Regierung will eine Säule der Klimawissenschaft eliminieren
Das Nationale Zentrum für Atmosphärenforschung (National Center for Atmospheric Research, abgekürzt NCAR) in Boulder, Colorado, befindet sich auf der Spitze des Table Mesa, einer Erhebung in der Nähe des östlichen Randes der Rocky Mountains.

Das Gebäude ist eingerahmt von Ponderosa-Kiefern, einem Koniferen-Nadelwald, üppigem Grasland und riesigen flachen Platten aus rotem Sandstein. Das gleiche Material färbt den Beton des Gebäudes, das vom renommierten Architekten I.M. Pei im Jahr 1967 entworfen wurde. Der imposante Baukörper gilt als Wahrzeichen des NCAR, einer bedeutenden wissenschaftlichen Säule zur Klimaforschung - mit weltweiter Anerkennung ihrer Arbeit.
Am 18. Dezember kündigte die Trump-Regierung konkrete Pläne an, das NCAR komplett aufzulösen. Gegenüber USA TODAY begründete der Haushaltsdirektor des Weißen Hauses die Entscheidung mit den Worten
Der geplanten Demontage des NCAR werde eine umfassende Überprüfung vorausgehen. Verbleibende und allgemein als wichtig eingestuften Aktivitäten wie die Wetterforschung werden an eine andere Behörde und damit an einen anderen Ort verlegt.
Was genau bedeutet das NCAR für die Klimawissenschaft
Auch für Nicht-Wissenschaftler sollt diese Entscheidung wegen ihrer Tragweite für Aufmerksamkeit sorgen. Dazu müssen wir die Bedeutung des NCAR besser verstehen.
Das NCAR ist die Quelle von fast 60 Jahren wissenschaftlicher Forschungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Klimawissenschaft. So haben NCAR-Wissenschaftler genaue Computermodelle der einzelnen Komponenten des Klimasystems der Erde entwickelt. Diese beinhalteten die Rolle der Atmosphäre, aber auch der Ozeane der Erde. Sie umfassten sowohl die Bedeutung der Landoberfläche als auch der marinen Bio-Geochemie.
Dabei verbanden sie die Modellierung und viele andere Komponenten und schufen so vollständige Erdsystemmodelle. Diese enthielten viele kritische Merkmale des realen Klimas, dessen Daten das NCAR in umfangreichen Daten erfasste.
Besondere Anerkennung verdient die Leistung des NCAR hin zu einer „Demokratisierung der Klimawissenschaft“, indem sie ihre Computermodelle der globalen Forschungsgemeinschaft frei zugänglich machten.
Ausbildungs- und Fortbildungszentrum NCAR
Tausende von Wissenschaftlern haben beim NCAR für einen Teil ihrer Karriere oder auch für ihre gesamte Arbeitszeit ihr Zuhause gefunden. Die im Laufe der 60 Jahre dort Beschäftigten sind nicht nur Pioniere der Erschaffung von Computermodellen der Klimaforschung. Vielmehr fungieren sie gleichzeitig als Tester ihrer eigenen Klimamodelle, indem sie Simulationen mit beobachteten und erfassten Klimadaten zusammenbringen.
Viele von Ihnen gelten als anerkannte Experten der Klimadiagnostik, indem sie die Modi der natürlichen Klimavariabilität untersuchen. Ein Beispiel dafür ist die „Madden-Julian Oscillation“, die zuerst von den NCAR-Wissenschaftlern Rol Madden und Paul Julian identifiziert wurde.
NCAR-Forscherinnen und Forscher gelten als „atmosphärische Chemiker“, die dabei helfen, herauszufinden, wie menschliche Aktivitäten die schützende Ozonschicht der Erde beeinflussen.
Sie sind Spezialisten bei der Untersuchung, wie sich Treibhausgase, Wolken und Feinstaubverschmutzung auf das Energiegleichgewicht zwischen dem einfallenden Sonnenlicht und der Wärmeausstrahlung aus der sonnengewärmten Atmosphäre und den Ozeanen auswirken.
Sie fungieren als Experten für die „Zwänge“ des Klimas, die sich aus natürlichen Veränderungen der Energieleistung und der vulkanischen Aktivitäten der Sonne und der nicht-natürlichen Veränderungen der Treibhausgaskonzentration durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe ergeben.
Sie entwickeln innovative Wege, mit denen man sehr genau menschliche und natürliche Einflüsse auf das Klima trennen kann. Sie untersuchen extremes Wetter und wie und warum sich die Eigenschaften von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen im Laufe der Zeit verändern.
NCAR-Forscherinnen und -Forscher sind in der wissenschaftlichen Welt breit anerkannte Theoretiker, Statistiker und Computer-Gurus und bilden damit einen integraler Bestandteil des globalen Fundaments der Klimawissenschaft.
Versuche eines „Warum“
Nun hat die Trump-Regierung beschlossen, diese weltweit bedeutende Quelle von Daten und Informationen zur Klimawissenschaft zu zerstören - und Klimaexperten wie ich selbst stellen sich die Frage nach dem „Warum“.
Ist die NCAR dem autokratischen Turbo-Kapitalismus der Trump-Regierung im Wege? Wird das NCAR also deswegen geschlossen, weil es in den vielen Jahren ihrer Arbeit immer wieder versucht hat, die ungleichen Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels auf die Ärmsten und Schwächsten zu verdeutlichen und daher das Thema Klimagerechtigkeit besser zu verstehen?
Oder ist der Grund viel naheliegender für die Klimawandel-leugnende Armada der aktuellen US-Regierung? Schließlich sagen die NCAR-Klimamodelle im 21. Jahrhundert signifikante Veränderungen des Erdklimas vorher und gelten daher wie erwähnt als „…eine der größten Quellen für Klimaalarmismus im Land“.
Oder ist der Beschluss zum Ende des NCAR der aus Trump-Sicht nur logische Schlussstrich zu all diesen Themen? Er hatte die mittlerweile berüchtigte Aussage bei der UN-Vollversammlung im September abgegeben, wonach der Klimawandel „fake news“ und die größte Lüge der Wissenschaft sei, bei der die Klimawissenschaft der Welt einen „Con-Job“, also einen Schwindel liefern würde, der zudem noch von „dummen Menschen“ verübt werde.
Nicht nur die Entscheidung der Trump-Regierung zum Ende des NCAR, sondern auch der Druck auf die führenden Universitäten des Landes zeigen, dass im Weltbild von Donald Trump und seinem Gefolge weder Platz noch auch nur ansatzweise Vertrauen in die geistigen Fähigkeiten der ausgebildeten und angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Landes vorhanden ist. Die Trump-Regierung mag offensichtlich weder die Schrift noch das Wort als Resultat deren Denkens.
Ist „brain drain“ somit nicht auch ein Synonym für eine Welt ohne Gehirne?