Zunehmende Risiken für die Kipppunkte im Erdsystem

Das großflächige Absterben von Korallenriffen markiert laut einem neuen Bericht von 160 Forschenden den weltweit ersten Klimakipppunkt, der bereits erreicht wurde. Das Thema ist Teil des neuen Global Tipping Point Reports 2025.

Kipppunkte - ein RIsiko mit Ansage

Der Bericht benennt die wachsenden Risiken für zentrale Systeme der Erde, von Gletschern und Eisfeldern bis hin zu Meeresströmungen, Eisschilden und Regenwäldern. Die Universität Exeter veröffentlichte den Bericht unter Mitwirkung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und 85 weiterer Institutionen.

Der Report beleuchtet die Risiken, Folgen und politischen Herausforderungen von Kipppunkten in Systemen unterschiedlicher Größen, von lokal wirkenden wie Gletschern und kleinen Eisfeldern bis hin zu kontinental und global bedeutenden, wie Meeresströmungen, polaren Eisschilden und dem Amazonas-Regenwald.

Globale Erwärmung als Grund

Die derzeitige globale Erwärmung von etwa 1,3 bis 1,4 °C liegt bereits über dem geschätzten Kipppunkt für Warmwasser-Korallenriffe. Weitere kritische Komponenten des Erdsystems, darunter der Permafrostboden, der grönländische und der westantarktische Eisschild sowie der subpolare Wirbel, könnten ihre Kipppunkte bereits erreichen, wenn die globale Erwärmung die 1,5 °C-Marke knapp überschreitet. Dies war bereits im vergangenen Jahr der Fall, auch wenn die Wissenschaft betont, dass damit noch keine langfristige Festlegung dieser Temperatur erfolgt ist.

Das Jahr 2024 könnte somit wie auch das Jahr 2023 als Ausnahme gelten. Auch bekannte Wetterphänomene wie El Niño, haben in diesen beiden Jahren zum kritischen Wert der mittleren Oberflächentemperatur beigetragen.

Wir sehen immer mehr Hinweise auf mögliche Kipppunkte in all diesen unterschiedlichen Systemen

so PIK-Forscher Sina Loriani, einer der Leit-Autoren von Teil 2 des Reports, zum Stand der Kipppunkt-Forschung.

Damit steige das Risiko steigt, dass Rückkopplungseffekte in Gang gesetzt werden, die Veränderungen im Erdsystem verstärken und beschleunigen.

Amazonas - Regenwald als weitere kritische Zone

Laut dem Bericht könnte der Amazonas-Regenwald bereits bei geringeren Temperaturen als bislang angenommen stark geschädigt werden. Grund dafür sei, dass negative Zusammenspiel von Klimawandel und Abholzung. Speziell die Tatsache, dass Brasilien bisher die Abholzung des Regenwaldes nicht nachhaltig und endgültig beendet hat, sorgt für Besorgnis. Bei den Temperaturen habe die Untergrenze des geschätzten Anstiegs, die nun bei 1,5 °C liege, verdeutlicht, wie eng das verbleibende Zeitfenster geworden ist.

Wir müssen sowohl das Ausmaß als auch die Dauer einer möglichen Überschreitung der 1,5 °C-Grenze so gering wie möglich halten. Jedes Zehntelgrad und jedes zusätzliche Jahr über dieser Schwelle erhöhen das Risiko, unumkehrbare Veränderungen auszulösen

sagt Nico Wunderling, Forscher am PIK und an der Goethe-Universität Frankfurt.

Gletscher - Fallstudie

Eine Fallstudie zu Áakʼw Tʼáak Sítʼ, auch als Mendenhall-Gletscher bekannt, in der Nähe von Juneau, Alaska (USA), zeigt die erheblichen Risiken, die mit dem Überschreiten von Kipppunkten selbst in vergleichsweise kleinen Systemen wie Gletschern und kleinen Eisfeldern verbunden sind.

In Juneau brachen 2023, 2024 und 2025 immer größere Gletscherseen aus Áakʼw Tʼáak Sítʼ und verursachten Schäden im zweistelligen Millionenbereich. Dies stellte die Region vor große Herausforderungen in Bezug auf Anpassung und politisches Handeln.

Die Entwicklungen in Juneau unterstreichen die enormen Auswirkungen, die das Überschreiten von Kipppunkten auf Städte, lokale Gemeinschaften und indigene Völker überall haben wird, da sie die Last der Anpassung tragen müssen

sagt PIK-Forscher Donovan Dennis, der die Fallstudie leitete.

Gleichzeitig verdeutliche sie, wie wichtig schnelle, anpassungsfähige und inklusive Reaktionen seien – von temporärem Hochwasserschutz über nachbarschaftliche Hilfe bis hin zu langfristiger Planung. Es brauche ein koordiniertes Zusammenspiel aller beteiligten Akteure, um eine wirksame Anpassung in der Praxis umzusetzen.

Die besonderen Herausforderungen der Folgen durch abschmelzende Gletscher in der ganzen Welt sind Themen zahlreicher Studien von Glaziologen und wurden in verschiedenen Artikeln auf unserer Webseite bereits oft thematisiert.

Report zeigt auch positive Entwicklungen auf

Die 160 Autorinnen und Autoren des Berichts argumentieren, dass Kipppunkte im Erdsystem durch ihre abrupte und potenziell irreversible Natur ein besonderes Risiko darstellen. Dies würde sie von anderen Umweltgefahren unterscheiden. Sie hoben hervor, dass die bisherigen politischen Reaktionen und Entscheidungsprozesse der Realität bei den Folgen des Klimawandels nicht gerecht werden.

Zugleich seien positive Veränderungen zu beobachten, beispielsweise durch Fortschritte bei der Solar- und Windenergie weltweit, bei der Einführung von Elektrofahrzeugen, Batteriespeichern und Wärmepumpen in führenden Märkten.

Der Bericht zeigt auch, dass diese Technologien bereits jetzt die Energiesysteme spürbar verändern.

Allerdings wird im Bericht immer wieder betont, dass diese Entwicklung deutlich beschleunigt werden müsse, um zu vermeiden, dass weitere Klima-Kipppunkte erreicht werden.

Fazit

Erneut haben sich renommierte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den gravierenden Folgen der Klimaveränderungen auseinandergesetzt. Politik und Gesellschaft werden in diesem Bericht erneut auf die Risiken, die die Erderwärmung verursacht, hingewiesen. Besonders hervorzuheben ist der positive Teil des Berichts, indem auf die Vorteile der technologischen Veränderungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten hingewiesen wird.

Die Welt muss diesen Weg weiter beschreiten. Natürlich können auch weitere technologische Erfindungen eine Rolle spielen. Ich verweise dabei ganz speziell auf meinen Artikel zu der großen Chance der Erfindung von metallorganischen Gerüstverbindungen, den so genannten MOFs, für die drei Chemiker in den vergangenen Tagen den Nobelpreis der Chemie erhalten haben.

Link zum Report:

https://global-tipping-points.org/resources-gtp