Warum manche Vulkane nicht ausbrechen – auch wenn sie dramatisch explodieren müssten
Warum manche Vulkane trotz gasreichem, zähflüssigem Magma nicht explosionsartig ausbrechen, gehört zu den großen Fragen der Vulkanologie. Forscher haben nun herausgefunden, dass die Scherkräfte innerhalb des Vulkans beeinflussen, wie sich das Magma verhält.

Einige Vulkane brechen einfach nicht aus – auch wenn alle Anzeichen auf einen Ausbruch hindeuten. Doch woran liegt das? Eine neue Studie will nun das Phänomen besser verstehen, indem sie auch die Scherkräfte innerhalb von Vulkanen berücksichtigt.
Die Forschungsarbeit, an der auch die ETH Zürich beteiligt war, zeigt, dass Gasblasen im Magma nicht nur dann entstehen, wenn der Druck während des Aufstiegs sinkt, sondern auch dann, wenn starke Scherkräfte wirken. Die mechanische Knetbewegung kann tief im Vulkanschlot Gasblasen wachsen lassen, die sich frühzeitig zu Entlüftungskanälen verbinden. Dadurch entweichen Gase bereits, bevor sie genug Druck für einen explosiven Ausbruch aufgebaut haben.
Unterschätzte Scherkräfte
Damit erweitert die in Science veröffentlichte Studie die bisherige Vorstellung erheblich. Bisher wurde angenommen, dass die im Magma gelösten Gase vor allem durch Druckentlastung freigesetzt werden, ähnlich wie beim Öffnen einer Sektflasche. Sinkt der Druck, entstehen Blasen, die das Magma leichter machen, es nach oben treiben und es schließlich zerreißen.
Die Forschenden verglichen nun die Situation im Vulkanschlot mit dem Rühren in einem Glas Honig. Im Zentrum des Glases fließt der Honig schneller, am Rand bremst ihn die Reibung – die Masse wird dabei gedehnt und gestaucht. Ein ähnliches Muster findet sich im Magma: An den Schlotwänden ist der Fluss langsamer als im Inneren, was zu starken Scherkräften führt.
Die Scherung kann Gasblasen erzeugen, auch wenn der Druck konstant bleibt. Die entstehenden Blasen häufen sich in den Randbereichen, wo die Scherung am intensivsten ist. Bereits vorhandene Bläschen verstärken den Effekt zusätzlich.
– Olivier Bachmann, ETH-Professor für Vulkanologie und magmatische Petrologie
Bei gasarmem Magma kann starke Scherung genug Blasen erzeugen, um eine unerwartet explosive Eruption auszulösen. Umgekehrt aber können Scherkräfte in gasreichem Magma frühzeitig Entlüftungskanäle entstehen lassen, sodass ein eigentlich explosiver Vulkan überraschend ruhig bleibt.
Altes Rätsel im neuen Licht
Ein historisches Beispiel ist der Ausbruch des Mount St. Helens im Jahr 1980. Obwohl das Magma hoch explosiv war, begann der Ausbruch mit der Bildung eines langsamen Lavadoms. Die Scherkräfte im Schlot erzeugten zusätzliche Gasblasen, die zunächst eine Entlüftung ermöglichten. Erst ein massiver Erdrutsch öffnete den Schlot abrupt, der Druck fiel rapide ab – und der Vulkan explodierte.

Die Studie deutet darauf hin, dass viele Vulkane mit zähflüssigem Magma ihren Gasvorrat schneller abbauen können, als man bisher angenommen hat.
Vom Labor in den Vulkanschlot
Um die Vorgänge sichtbar zu machen, hatten die Forschenden ein spezielles Laborexperiment entwickelt. Eine viskose Flüssigkeit, die geschmolzenem Gestein ähnelt, wurde mit Kohlendioxid gesättigt. Setzten die Forschenden die Flüssigkeit starker Scherung aus, entstanden plötzlich Gasblasen – und zwar ab einem klaren Schwellenwert. Je höher die ursprüngliche Gasübersättigung war, desto weniger Scherung benötigte es für neue Blasen.
Auch hier zeigte sich, dass bereits vorhandene Blasen die Entstehung weiterer fördern. In Kombination mit Computersimulationen der Magmaströmung konnte herausgefunden werden, dass vor allem an den Schlotwänden, wo Lava zähflüssig entlangschrammt, die Blasenproduktion durch Scherung besonders ausgeprägt ist.
Die neue Studie liefert eine gute Grundlage, um aktive Vulkane besser einschätzen zu können – und erklärt erstmals schlüssig, warum manche von ihnen trotz explosivem Inneren nicht dramatisch ausbrechen.
Quellenhinweis:
Roche, O., Andanson, J., Dequidt, A., Huber, C., Bachmann, O., & Pinel, D. (2025): Shear-induced bubble nucleation in magmas. Science.