Phlegräische Felder: Fluidgefüllte Risse unter Neapel entdeckt – könnte der Supervulkan ausbrechen?
In einem der gefährlichsten Vulkangebiete Europas, den Phlegräischen Feldern in Italien, wurde der Boden auf besondere seismische Signale hin untersucht. Dabei wurde in 3,5 Kilometern Tiefe ein riesiger Riss unter dem Großraum Neapel entdeckt.

Seit 2005 hebt sich der Boden im Gebiet um Pozzuoli kontinuierlich an, mittlerweile um etwa 1,4 Meter. Die Deformation wird von einer zunehmenden Erdbebenaktivität begleitet. Das bisher stärkste Beben in dieser Phase ereignete sich am 30. Juni 2025 mit einer Magnitude von 4,6.
Ein Forschungsteam konnte nun erstmals sehr langperiodische seismische Signale (VLP) nachweisen, die auf fluidgefüllte Risse in rund 3,5 Kilometern Tiefe hindeuten. Die Entdeckung könnte beeinflussen, wie das vulkanische Risiko künftig bewertet wird.
Die Forscherinnen und Forscher der Universität Pisa, des italienischen INGV sowie des GFZ Helmholtz-Zentrums in Potsdam haben seismische Daten der vergangenen zehn Jahre analysiert und die Geometrie aktiver Bruchzonen rekonstruiert. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal Communications Earth & Environment veröffentlicht.
Rissstrukturen als Gas- und Dampfleitungen
Erstmals wurden VLP-Signale in der Region nachgewiesen, das sind sehr langperiodische seismische Signale. Die seismischen Wellen mit einer Dauer von 60 bis 90 Sekunden und einer dominanten Frequenz von etwa 0,11 Hertz sind seit 2018 mehrfach aufgetreten.

Die Signale stammen offenbar aus einer geneigten, gasgefüllten Rissstruktur, die das tiefere Magma- und Gasreservoir mit den oberflächennahen Dampfaustritten der Solfatara verbindet, das ist ein bestimmter Vulkankrater der Phlegräischen Felder.
– Giacomo Rapagnani, Doktorand an der Universität Pisa, Erstautor der Studie
Die Resonanzprozesse könnten wichtig für den Aufstieg und die Entgasung vulkanischer Fluide sein. Anhand der Resonanzfrequenz schätzen die Wissenschaftler die Dimension des Risses auf rund 1000 Meter Länge, 650 Meter Breite und lediglich etwa 35 Zentimeter Höhe. Trotz der deutlichen Bodenhebung sei die Resonanzfrequenz über Jahre hinweg konstant geblieben, was darauf hindeutet, dass die Struktur bisher stabil ist.
Erhöhte Aufmerksamkeit
„Die unveränderliche Resonanzfrequenz zeigt uns, dass die Rissstrukturen unter der Solfatara in den letzten Jahren wahrscheinlich nicht gewachsen sind, trotz stetiger Bodenhebung“, sagt Dr. Simone Cesca vom GFZ.
Allerdings sagen die Forschenden, dass die Stabilität nicht mit einer Entwarnung gleichzusetzen sei. Vielmehr mache es die neue Methode möglich, Veränderungen im Untergrund künftig noch genauer zu verfolgen. „Diese Beobachtung unterstreicht die Relevanz der erzielten Ergebnisse für die Verfolgung der dynamischen Entwicklung des Vulkans, obwohl weitere Untersuchungen erforderlich sind“, ergänzt Gilberto Saccorotti vom INGV.

Die Studie zeigt beispielhaft, welchen Nutzen moderne Messnetze haben. Das GFZ installierte im Juni 2024 neun zusätzliche Seismometer im Gebiet, die seither in Echtzeit Daten an das GEOFON-Netz senden. Die Daten bildeten die Basis für das Projekt.
– Francesco Grigoli von der Universität Pisa
Die Phlegräischen Felder sind eine Caldera von rund zwölf Kilometern Durchmesser mit einer langen Eruptionsgeschichte: Die letzte Eruption ereignete sich 1538. Seither kam es immer wieder zu Phasen des sogenannten Bradyseismos, also zu langsamen Hebungen und Senkungen des Bodens, die durch komplexe magmatische und hydrothermale Vorgänge zustande kommen.
Unter einer dichten Deckschicht in etwa 1,5 bis 2 Kilometern Tiefe staut sich heißes, unter Druck stehendes Fluid, das nicht ungehindert aufsteigen kann. Das System kann große Spannungen aufnehmen, bevor es zu Brüchen kommt. Die neu entdeckte Rissstruktur könnte dabei als Ventil zwischen dem tiefen Magmareservoir und oberflächennahem Dampf- und Gasbereich fungieren.
Die Entdeckung der Resonanzquelle hilft somit auch, das Verhalten des Vulkans besser zu verstehen, und zwar in einer Region, in der fast eine Million Menschen im direkten Einflussbereich lebt.
Quellenhinweis:
Rapagnani, G., Cesca, S., Saccorotti, G., Petersen, G., Dahm, T., Bianco, F., Grigoli, F., (2025): Coupled earthquakes and resonance processes during the uplift of Campi Flegrei caldera. Communications Earth & Environment, 6, 607.