Vogelgrippe breitet sich weiter in der Antarktis aus: Werden die Bestände bald kollabieren?

Wissenschaftler melden weitere Vogelgrippefälle in der Antarktis. Noch ist nicht klar, wie stark sich die Zusammensetzung der Arten verändern wird, weil die Vögel auf andere Brutplätze ausweichen – oder ob die Bestände zusammenbrechen werden.

Ein Teammitglied der Arbeitsgruppe Polar- und Ornithoökologie der Uni Jena während einer Expedition auf der Fildes-Halbinsel auf King George Island in der Antarktis.
Ein Teammitglied der Arbeitsgruppe Polar- und Ornithoökologie der Uni Jena während einer Expedition auf der Fildes-Halbinsel auf King George Island in der Antarktis. Bild: Christina Braun/Uni Jena

Das Vogelgrippevirus breitet sich weiter auf dem Kontinenten aus, der als letztes noch von der Krankheit verschont geblieben war. Forschende melden den Nachweis der hochpathogenen Vogelgrippe H5N1 auf der Fildes-Halbinsel auf King George Island in der Antarktis. Bereits 2023 war das Virus in Südgeorgien und im Februar 2024 auf der James-Ross-Insel festgestellt worden, doch die jüngsten Beobachtungen deuten auf eine besorgniserregende Zunahme hin.

H5N1 ist ein Subtyp des Influenza-A-Virus (Vogelgrippe), der vornehmlich Vögel krank macht, aber auch Säugetiere und Menschen befallen kann.

Neben weiteren Beobachtungen internationaler Forschungsteams registrierte auch das Team um Biologin Christina Braun von der Friedrich-Schiller-Universität Jena bei seiner Expedition im antarktischen Sommer 2025 auffällig viele verendete Seevögel.

„Das Gebiet, das wir beobachten, ist sehr klein und vogelreich“, erklärt Markus Bernhardt-Römermann vom Institut für Biodiversität, Ökologie und Evolution der Uni Jena. Außerdem würden die antarktischen Vögel typischerweise in Kolonien brüten, weshalb die Ansteckungsgefahr sehr groß sei. „Ist die Mortalitätsrate sehr hoch in einer Population, kann es sein, dass sie komplett zusammenbricht“, warnt Bernhardt-Römermann.

Eine Skua (Raubmöwe), die das Jenaer Team während seiner Expedition tot aufgefunden hat und die an der Vogelgrippe H5N1 gestorben ist.
Eine Skua (Raubmöwe), die das Jenaer Team während seiner Expedition tot aufgefunden hat und die an der Vogelgrippe H5N1 gestorben ist. Bild: Katharina Engl

Seit 1979 dokumentieren deutsche Biologen die Vogelwelt auf King George Island. Ab 1983 übernahm die Arbeitsgruppe Polar- und Ornithoökologie der Universität Jena die Aufgabe. Das Monitoring erstreckt sich über ein 35 Quadratkilometer großes Gebiet, in dem 14 Brutvogelarten erfasst werden, darunter Zügel-, Adélie- und Eselspinguine sowie Skuas und Riesensturmvögel.

Unerwartet viele tote Vögel

Besonders alarmierend beim Monitoring 2025 war die Zahl verendeter Tiere. Statt der wie üblich wenigen Funde registrierte das Team 52 tote Vögel, mehrheitlich Skuas. Analysen von Kolleginnen und Kollegen aus Chile und vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam bestätigten, dass H5N1 für viele der Todesfälle verantwortlich war.

Das Virus könnte sich rasch weiter ausbreiten, da nur etwa zwei Prozent der Antarktis eisfrei und damit als Brutgebiete geeignet sind. Die Vögel brüten in dichter Nachbarschaft, was die Infektionsgefahr massiv erhöht. Besonders betroffen sind Arten mit ohnehin abnehmenden Beständen.

Gefahr auch für Menschen und Säugetiere

In Südamerika war es bereits 2023 zu einem Massensterben unter Seelöwen, Robben und Seeelefanten gekommen. Da das Virus nicht nur Tiere infizieren kann, musste die Forschungsarbeit in spezieller Schutzkleidung verrichtet werden.

Einzelne Infektionen bei Menschen nach direktem Kontakt mit infizierten Vögeln sind ebenfalls dokumentiert.

„Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen also sehr vorsichtig sein und sich selbst schützen,“ erklärt Braun. Die Bedrohung reicht also über die Vogelwelt hinaus und könnte letztlich auch ganze Nahrungsnetze ins Wanken bringen.

Klimawandel verstärkt den Druck

Neben solchen Infektionskrankheiten verändert auch die globale Erwärmung die Vogelgemeinschaften der Antarktis. Während Kapsturmvögel inzwischen aus dem Untersuchungsgebiet verschwunden sind, breiten sich Arten wie die ursprünglich subantarktischen Eselspinguine aus. Adélie- und Zügelpinguine hingegen gehen stark zurück.

Die Artenzusammensetzung verschiebt sich rasant.

Unklar bleibt, ob sie auf andere Brutplätze ausweichen oder ob die Bestände tatsächlich kollabieren. „Genau deshalb sind kontinuierliche Projekte wie unseres so wichtig“, fasst Braun zusammen. Vergleichbare Datenreihen aus anderen Regionen fehlen weitgehend.

Wie sich H5N1 auf die Vogelwelt der Antarktis langfristig auswirkt, ist noch nicht absehbar. Sicher ist jedoch, dass das Virus den entlegensten Kontinent erreicht hat, und damit eine Tierwelt, die bis jetzt als weitgehend unberührt galt.