Vampirtintenfisch enthüllt: So entstanden die modernen Kraken vor 300 Millionen Jahren
Forscher entschlüsseln das Genom des Vampirtintenfischs und zeigen, wie Oktopoden aus decapodiformen Vorfahren hervorgingen. Chromosomenfusionen und regulatorische DNA prägten ihre Evolution.

Cephalopoden, zu denen Tintenfische, Kraken und Sepien gehören, besitzen hochentwickelte Nervensysteme und komplexe Verhaltensweisen. Vor rund 422 Millionen Jahren spalteten sich die Nautiloiden von den Coleoideen ab.
Während die Nautiloiden ihre äußeren Schalen behielten, verloren die Coleoideen sie und entwickelten interne Strukturen, die Beweglichkeit und Anpassung an verschiedene Lebensräume ermöglichten.
Dieser Verlust der Schale war vermutlich ein Katalysator für die Evolution von Intelligenz, Lernfähigkeit und komplexen Verhaltensstrategien wie Tarnung und Problemlösung.
Rätsel der Chromosomenzahl gelöst
Eine der großen offenen Fragen war die unterschiedliche Chromosomenzahl: Moderne Kraken besitzen etwa 30 Chromosomen, während Tintenfische und Sepien rund 46 haben. Diese Diskrepanz machte es schwer, die Richtung chromosomaler Evolution bei Coleoideen zu bestimmen.
Vampyroteuthis – ein lebendes Fenster in die Vergangenheit
Der Vampirtintenfisch (Vampyroteuthis sp.) gehört zu den basalen Oktopoden und gilt als „lebender Fossil“. Sein Genom, mit einer Größe von über 14 Gigabasen, ist das größte bisher sequenzierte Cephalopoden-Genom. Analysen zeigen, dass es Merkmale eines decapodiformen Vorfahren (d.h. eines Vorfahren von Tintenfischen und Sepien mit zehn Armen und einem typischen Chromosomensatz von etwa 46) bewahrt, was einen entscheidenden Einblick in die frühe Evolution der Oktopoden ermöglicht.
Chromosomenfusionen formen moderne Oktopoden
Die Forschung zeigt, dass moderne Oktopoden zahlreiche Chromosomenfusionen durchlaufen haben, sogenannte „fusion-with-mixing“-Events. Diese irreversiblen Verschmelzungen führten zu einer stark reorganisierten chromosomalen Struktur.
Nichtkodierende DNA und regulatorische Geheimnisse
Neben den strukturellen Veränderungen in den Chromosomen spielte die nichtkodierende DNA eine wichtige Rolle. Sie enthält regulatorische Elemente, die für die Entwicklung spezifischer Merkmale wie der Reduktion von Armen oder der Ausbildung spezieller Tentakel verantwortlich sein könnten.
Der Vampirtintenfisch zeigt, dass eine Genomvergrößerung nicht zwangsläufig zu Chaos in der Chromosomenstruktur führt, sondern die regulatorischen Landschaften stabil bleiben können.
Giant genome of the vampire squid reveals the derived state of modern octopod karyotypes
— DNLt (@dnltbing) November 7, 2025
[Yoshida et al. 2025]https://t.co/tPDzt6berb pic.twitter.com/Fnvyym1qYJ
Riesen-Genom ohne Chaos
Trotz der enormen Größe seines Genoms weist Vampyroteuthis eine überraschend konservierte Chromosomenstruktur auf. Dies zeigt, dass Transposable Elemente zwar das Genom erweitern, aber nicht automatisch die chromosomale Organisation zerstören.
Vom decapodiformen Vorfahren zum modernen Kraken
Die Studienergebnisse bestätigen, dass Oktopoden aus decapodiformen Vorfahren hervorgingen. Zahlreiche Chromosomenfusionen und regulatorische Veränderungen führten zu den heute bekannten Oktopodenarten. Vampyroteuthis fungiert dabei als Schlüsselart, die den Übergang von ursprünglichen Tintenfischarten zu den modernen Kraken nachvollziehbar macht.
Quelle
Yoshida, M.-A., Tóth, E., Kon-Nanjo, K., et al. (2025). Giant genome of the vampire squid reveals the derived state of modern octopod karyotypes. iScience, 28, 11113832.