Rätsel gelöst: Wie entstanden die Kraterseen im Herzen der Sahara, dem Tibesti-Gebirge?

Die Sahara ist die größte Trockenwüste der Welt. Dennoch waren in ihrem zentralen Gebirge, dem Tibesti, mächtige Seen entstanden, die einige Jahrtausende überdauerten. Lange Zeit war unklar, wie sich diese Seen bilden konnten.

Abstieg in den Era-Kohor-Subkrater innerhalb der Gipfelcaldera des Emi Koussi – mit 3415 m der höchste Berg der Sahara. Auf dem Kraterboden liegen weißliche Sedimente: Die Salzkrusten sind Reste eines Paläosees, der den Krater einst teilweise füllte.
Abstieg in den Era-Kohor-Subkrater innerhalb der Gipfelcaldera des Emi Koussi – mit 3415 m der höchste Berg der Sahara. Auf dem Kraterboden liegen weißliche Sedimente: Die Salzkrusten sind Reste eines Paläosees, der den Krater einst teilweise füllte. Bild: Stefan Kröpelin/Uni Köln

Heute ist die Sahara eine durch Trockenheit und Hitze geprägte Wüstenlandschaft. Doch vor Jahrtausenden war sie noch wesentlich grüner als heute, wie zahlreiche archäologische Funde bestätigen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen nun, wie im Tibesti-Gebirge im Herzen der Sahara einst gewaltige Kraterseen entstehen und Jahrtausende überdauern konnten.

Das Tibesti ist ein Gebirge im nördlichen Tschad, das bis zu 3500 Meter höher liegt als die umgebenden Wüstenebenen.

Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe unter Leitung der Freien Universität Berlin und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie hat nun die rätselhafte Herkunft der Kraterseen entschlüsselt. Ihre Studie, die kürzlich in Nature Communications veröffentlicht wurde, wirft ein neues Licht auf die Klimageschichte Nordafrikas.

Seen in 3000 Metern Höhe

Vor rund 9500 Jahren sammelte sich in den Kratern des Tibesti Wasser an und bildete tiefe Seen, die einen Zeitraum von mehr als 5000 Jahren überstanden.

Schon 1869 hatte der deutsche Afrikaforscher Gustav Nachtigal von einem gewaltigen Krater, die „Natrongrube“ (Trou au Natron), berichtet. Auf über 2500 Metern Höhe hatte Nachtigal eine Vertiefung entdeckt, die einst einen See beherbergt haben musste.

Jüngste Expeditionen, geleitet vom Geographen Stefan Kröpelin von der Universität zu Köln, untersuchten die Region nun unter extremen Bedingungen. Aus entlegenen Kratern wie dem Trou au Natron und dem südlich gelegenen Era Kohor wurden Sedimentproben geborgen und analysiert.

Tibesti-Gebirge in der Zentral-Sahara: Lage der Krater Trou au Natron (am Pic Toussidé) und Era Kohor (am Emi Koussi).
Tibesti-Gebirge in der Zentral-Sahara: Lage der Krater Trou au Natron (am Pic Toussidé) und Era Kohor (am Emi Koussi). Bild: Hoelzmann et al., 2025

„Diese wertvollen Proben aus den abgelegenen Kratern zu bearbeiten, war eine tolle Möglichkeit, die Zeitstellung und die Dynamik der heute nicht mehr existierenden Seen zu entschlüsseln“, erklärt Dr. Philipp Hoelzmann, Geograph an der Freien Universität Berlin und einer der Erstautoren der Studie.

Uraltes Klima simuliert

Um die Bedingungen der damaligen Zeit zu verstehen, wurden am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg Simulationen mit einer Auflösung von nur fünf Kilometern durchgeführt, was eine große Genauigkeit für die Region darstellt.

„Damit konnten wir zum ersten Mal die steile Orographie und die Dynamik der Niederschläge im Tibesti in einem Klimamodell erfassen. Das war bisher so noch nicht möglich.“

– Martin Claussen, Leiter der Modelliergruppe am Max-Planck Institut für Meteorologie Hamburg

Die Arbeit wurde durch Fernerkundungsdaten und Geländeanalyse ergänzt, mit deren Hilfe der Wasserhaushalt ermittelt werden konnte. Dabei kam heraus, dass vor etwa 7000 Jahren im Tibesti mindestens zehnmal mehr Regen gefallen sein muss als in den Ebenen der Umgebung.

Unerwartete Windrichtung

Lange Zeit waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon ausgegangen, dass der westafrikanische Monsun die Feuchtigkeit für die Region spendete. Neuere Analysen widerlegen das allerdings.

Überraschenderweise wurden die feuchten Luftmassen durch nordöstliche Winde aus dem Mittelmeerraum herangeführt und nicht durch den damals stärkeren Monsun aus dem Süden, heißt es in der Studie.

Die Luftmassen stauten sich an den Gebirgshängen, kühlten dort ab und regneten nieder. Die Krater füllten sich mit Wasser und bildeten über lange Zeit stabile Seen.

Simulierter Niederschlag (b, c) und die Differenz zwischen Niederschlag und potenzieller Verdunstung (d, e). Ergebnisse der hochauflösenden Simulation mit einer Gitterboxgröße von 5 km (b, d) und der niedrigauflösenden 40-km-Simulation (c, e). Die Krater sind durch gelbe und magentafarbene Dreiecke gekennzeichnet.
Simulierter Niederschlag (b, c) und die Differenz zwischen Niederschlag und potenzieller Verdunstung (d, e). Ergebnisse der hochauflösenden Simulation mit einer Gitterboxgröße von 5 km (b, d) und der niedrigauflösenden 40-km-Simulation (c, e). Die Krater sind durch gelbe und magentafarbene Dreiecke gekennzeichnet. Bild: Hoelzmann et al., 2025

Die Arbeit zeigt, wie man mit Simulationen vergangene Klimaveränderungen verstehen kann. Nur dadurch, dass Sedimentdaten, Modellierung und Fernerkundung miteinander kombiniert wurden, ließ sich die Herkunft der Kraterseen erklären.

Die Ergebnisse sind einerseits für Historikerinnen und Geographen bedeutend. Andererseits weisen sie auch darauf hin, wie sich ein immer wärmer werdendes Klima auswirkt. Die Sahara zeigt beispielhaft, wie komplexe Wettersysteme reagieren, wenn sich Temperatur und Luftzirkulation verändern.

Die Entdeckung fügt sich in ein größeres Bild: Während der Nordafrikanischen Feuchtphase war die Sahara eine lebensspendende Landschaft mit Seen, Flüssen und Vegetation. Am Tibesti konnte nun gezeigt werden, dass lokale Besonderheiten wie Gebirgshöhenzüge beeinflussten, wo das Wasser entlangfloss – und wo sich Leben entwickeln konnte. Die Studie macht zugleich auch deutlich, dass, wer das Klima der Zukunft verstehen will, den Blick zurück in die Vergangenheit richten muss.

Quellenhinweis:

Hoelzmann, P., Claussen, M., Dallmeyer, A. et al. (2025): Mid-Holocene extreme precipitation in the Tibesti, Central Sahara. Nature Communications, 16, 7426.