Moossporen überstehen fast ein Jahr im All – Studie zeigt extreme Widerstandskraft von Physcomitrium patens
Ein Raumflugexperiment zeigt: Sporen eines Modellmooses überstehen fast ein Jahr im Weltraum. Die Ergebnisse könnten zukünftige Lebenserhaltungssysteme in der Raumfahrt entscheidend beeinflussen.

Es klingt wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Roman, doch die neue Studie ist eindeutig: Sporen des Modellmooses Physcomitrium patens haben fast ein Jahr lang im offenen Weltraum überlebt und nach der Rückkehr zur Erde wieder gekeimt.
Die Ergebnisse erlauben einen faszinierenden Blick auf die Überlebensgrenzen pflanzlicher Zellen und werfen wichtige Fragen zur Rolle von Pflanzen in zukünftigen Weltraummissionen auf.
Extrembedingungen im niedrigen Erdorbit
Für das Experiment wurden sporenhaltige Sporangien direkt außen an der Internationalen Raumstation ISS befestigt. Der niedrige Erdorbit stellt eine extreme Umgebung dar: intensive UV-Strahlung, kosmische Strahlen, große Temperaturwechsel sowie nahezu vollständiges Vakuum wirken ununterbrochen auf biologische Proben.
Während die Erdatmosphäre diese Belastungen normalerweise stark abschirmt, treffen sie im All ohne jeden Filter auf jede Zelle.
UV-Strahlung als entscheidender Stressfaktor
Die zentrale Erkenntnis: Vor allem UVC-Licht, die energiereichste Form ultravioletter Strahlung, ist für die Sporen kritisch. Wurden sie vor diesem Strahlungsanteil geschützt, blieben ihre Keimungsraten nahezu identisch mit jenen der irdischen Kontrollproben.
Selbst unter voller UV-Belastung erreichten die Sporen noch eine Keimfähigkeit von 86 Prozent.
Diese Werte übertreffen viele bekannte extrem resistente Mikroorganismen und zeigen, dass Moossporen eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber kosmischem Stress besitzen.
Sporangien als natürliche Schutzschilde
Die Forschenden führen die außergewöhnliche Widerstandskraft auf die Kombination aus intrinsischer Robustheit der Sporen und dem physikalischen Schutz des Sporangiums zurück.
Diese Hülle wirkt wie eine biologische Rüstung: Sie blockt UV-Strahlung teilweise ab, schützt vor Austrocknung und dämpft Temperaturspitzen. Diese Struktur ist eine frühe evolutionäre Anpassung der Bryophyten (ursprüngliche, moosartige Landpflanzen) an das Landleben – und zeigt nun ihre erstaunliche Effektivität unter Weltraumbedingungen.
Vergleiche mit Samen, Pilzen, Bakterien und Tieren
Der Vergleich mit anderen Organismengruppen gibt zusätzliche Einordnung. Viele Pflanzensamen besitzen ähnliche oder sogar höhere UV-Toleranzen. Bakterien- und Pilzsporen erreichen zwar ebenfalls beachtliche Widerstandsniveaus, bleiben aber hinter den Werten der Moossporen zurück.
Tiere – selbst robuste Mikrotiere wie Tardigraden – sind in Bezug auf UV-Resistenz deutlich unterlegen.
Pflanzen sind evolutionär darauf ausgelegt, Stress passiv zu überstehen, da sie sich nicht bewegen können. Ihre Zellstrukturen, Schutzschichten und Pigmente ermöglichen ihnen daher, extreme Umweltbedingungen besser zu überdauern als viele Tiere, die sich aktiv aus Gefahren zurückziehen können.
Weitere Belastungstests: Hitze, Frost und Licht
Ergänzende Experimente zeigten, dass die Sporen auch hohe Temperaturen sowie lange Frostperioden erstaunlich gut überstehen. Weder wochenlange Kälteeinwirkung noch Hitzephasen führten zu drastischen Einbußen ihrer Keimfähigkeit.
Eine biologische Schwachstelle trat jedoch im Pigmenthaushalt zutage: Das Photosynthesepigment Chlorophyll a wurde im Weltraum deutlich abgebaut, vermutlich durch intensive Lichtbelastung und reaktive Sauerstoffspezies.
When people talk about terraforming planets, they dont usually think of moss as a tool, but perhaps weve been underrating this great survivor. https://t.co/e2gLLki38W pic.twitter.com/hRfpW6iTPY
— IFLScience (@IFLScience) November 22, 2025
Potenzial für Zukunftssysteme im All
Diese Kombination aus Robustheit, einfacher Kultivierbarkeit und hoher CO₂-Fixierungsleistung macht Moose zu interessanten Kandidaten für bioregenerative Lebenserhaltungssysteme.
Sie könnten langfristig zur Sauerstoffproduktion, CO₂-Bindung und sogar zur Verbesserung extraterrestrischer Böden eingesetzt werden. Die Studie deutet an, dass Physcomitrium patens nicht nur ein Modellorganismus ist, sondern ein mögliches Element zukünftiger außerirdischer Ökosysteme.
Quelle
Maeng, C.-H., Fujita, T., Kobayashi, M., & Team. (2024). Extreme environmental tolerance and space survivability of the moss, Physcomitrium patens. iScience, 0(0), 113827.