Molekularer Einstein: Ein Molekül mit endlosen Mustern von Schweizer Forschern entdeckt
Wissenschaftler haben ein Molekül entdeckt, mit dem sich Flächen unendlich ausfüllen lassen und sich nie wiederholende Muster bilden. Das so genannte Einstein-Rätsel der Parkettierung galt jahrzehntelang als ungelöst.

Kann man eine endlose Fläche mit nur einer einzigen Form so kacheln, dass sich das Muster niemals wiederholt? Im Jahr 2022 lieferte ein Hobby-Mathematiker eine Antwort auf dieses sogenannte Einstein-Problem. Nun haben Forschende der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) eine chemische Entsprechung entdeckt – ein Molekül, das sich spontan zu einzigartigen, aperiodischen Mustern anordnet.
Die Entdeckung war ein Zufall, denn eigentlich hatten die Wissenschaftler die Kristallisation chiraler (spiegelverkehrter) Moleküle auf Metalloberflächen untersucht. Stattdessen bildeten die Moleküle unvorhersehbare, sich nie wiederholende Muster.

Anfangs hielten die Forscher das Phänomen für einen experimentellen Fehler, doch wiederholte Versuche zeigten, dass die Muster zwar bei jeder Durchführung variierten, jedoch bestimmten Regeln folgten. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Die Rolle der Chiralität
Das entscheidende Merkmal des untersuchten Moleküls ist seine Chiralität – also wenn sich das Spiegelbild eines Objektes durch Drehen nicht mit dem Original decken lässt. Beispielsweise sind linke und rechte Hand spiegelbildlich, aber nicht identisch. In der Pharmazie spielt diese Eigenschaft eine zentrale Rolle, da viele Medikamente nur in einer bestimmten Händigkeit wirksam sind.
![Die Forschenden verwendeten ein Molekül namens Tris(tetrahelicenebenzen) oder t[4]HB, das seine Händigkeit ganz einfach wechseln kann Die Forschenden verwendeten ein Molekül namens Tris(tetrahelicenebenzen) oder t[4]HB, das seine Händigkeit ganz einfach wechseln kann](https://services.meteored.com/img/article/molekularer-einstein-ein-molekul-mit-endlosen-mustern-von-schweizer-forschern-entdeckt-1740384254689_1024.png)
„Wir haben erwartet, dass sich die Moleküle nach ihrer Händigkeit im Kristall anordnen, also entweder abwechselnd oder in Gruppen mit derselben Händigkeit“, erklärt Empa-Forscher und Chemiker Karl-Heinz Ernst. Stattdessen entstanden unregelmäßige Dreiecke, die sich in einer nie wiederholenden Anordnung auf der Oberfläche zusammenfügten.
Vom Zufall zur Ordnung
Nach intensiven Analysen, unter anderem mithilfe von Computersimulationen, fanden Ernst und sein Doktorand Jan Voigt heraus, dass die Moleküle sich so anordnen, dass die Oberfläche möglichst dicht bedeckt wird. Aufgrund ihrer Chiralität passen die Dreiecke an den Rändern jedoch nicht exakt zusammen, was zu leichten Verschiebungen und letztlich zu der einzigartigen, nicht-periodischen Struktur führt.
Karl-Heinz Ernst, Chemiker der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
Besonders faszinierend: Die entstehenden Defekte in der Anordnung sind nicht zufällig. Sie folgen energetischen Prinzipien, die eine dichte Packung begünstigen. Dadurch entstehen winzige Unregelmäßigkeiten, die wiederum Spiralmuster bilden können.
Eine neue Art von Material?
Die Ergebnisse sind nicht nur mathematisch und chemisch spannend, sondern könnten auch neue physikalische Anwendungen ermöglichen. So besitzen aperiodische Oberflächen oft ungewöhnliche elektronische Eigenschaften. „Gerade für eine aperiodische Oberfläche wie unsere wurde vorhergesagt, dass sich die Elektronen darin anders verhalten und daraus eine neue Art von Physik entstehen könnte“, erklärt Ernst. Mögliche Anwendungsgebiete reichen von Nanotechnologie bis hin zu neuartigen Quantenmaterialien.
Während Ernst mittlerweile in den Ruhestand gegangen ist, bleibt die Erforschung dieser besonderen molekularen Anordnungen eine Aufgabe für zukünftige Wissenschaftler. Doch die Entdeckung könnte den Grundstein für ein völlig neues Forschungsfeld legen.
Quellenhinweis:
Voigt, J., Baljozović, M., Martin, K., Wäckerlin, C., Avarvari, N., Ernst, K. H. (2025): An aperiodic chiral tiling by topological molecular self-assembly. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-024-55405-5