Mehr Schutz durch regelmäßige Überflutung: Wie geöffnete Polder die Oder-Auen stärken können

Eine Studie zeigt, dass geöffnete Polder die Auen der Oder ökologisch stärken. Längere Überflutungszeiten fördern die Wasserqualität, binden Nährstoffe und unterstützen die Artenvielfalt. Dies könnte helfen, die Folgen von Klimawandel und Umweltbelastungen abzumildern und den Hochwasserschutz zu verbessern.

Überflutungswehr
Überflutungswehr eines Polders im Nationalpark Unteres Odertal. Bild: Dörthe Tetzlaff

Auenlandschaften spielen eine entscheidende Rolle im Wasserhaushalt und bei der Reinhaltung von Gewässern. Eine neue Studie hat nun untersucht, wie sich eine veränderte Regulierung der Überflutungswehre auf die Ökosysteme der Oder auswirken könnte.

Auenlandschaften sind größtenteils natürliche Ökosysteme entlang von Flüssen und Bächen, die durch regelmäßige Überschwemmungen geprägt sind. Sie umfassen Feuchtwiesen, Auwälder und Gewässer.

Die Studie, die in Kooperation des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) mit dem Nationalpark Unteres Odertal entstanden ist, legt nahe, dass eine längere Offenhaltung der Polder sich mehrfach positiv auf Natur und Umwelt auswirken könnte.

Natürlicher Hochwasserschutz und Lebensraum

Auenlandschaften dienen einerseits als Puffer für Hochwasser, aber andererseits auch als Rückzugsorte für Tiere und Pflanzen. Das zeigte sich besonders nach der Umweltkatastrophe an der Oder im Jahr 2022: Durch die offenen Auenstrukturen fanden viele Fischarten und andere Organismen Schutz und konnten sich langsam erholen. Darüber hinaus trägt das Feuchtgebiet maßgeblich zur Wasserqualität bei, indem es Schadstoffe filtert und Nährstoffe abbaut.

„Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen, dass die Auen an der Oder für den Wasser- und Nährstoffrückhalt sehr wichtig sind“, erklärt Prof. Dörthe Tetzlaff vom IGB, die die Untersuchung leitete. Die Forscherinnen und Forscher analysierten über zwei Jahre lang, woher das Wasser in den Auen stammt, wie alt es ist und wie es sich auf die Wasserqualität auswirkt.

Winterflutung für den Nährstoffkreislauf

Hohe Wasserstände im Winter führen dazu, dass die Auenpolder überflutet werden. Bei der Überflutung gelangen gelöste Stoffe in das Feuchtgebiet, darunter natürliche organische Materialien sowie Rückstände aus der Landwirtschaft. Das sauerstoffreiche Wasser bietet ideale Bedingungen für Jungfische und andere aquatische Lebewesen.

Beispielsweise wird der im Nitrat gebundene Stickstoff durch Denitrifikation zu molekularem Stickstoff umgesetzt, also in eine Form überführt, die relativ reaktionsträge ist und von den meisten Lebewesen nicht genutzt werden kann.

„In Gewässern und Böden ist er damit nicht mehr im Sinne eines Düngemittels verfügbar und nicht mehr umweltrelevant“, erläutert Prof. Chris Soulsby von der Universität Aberdeen, einer der Autoren der Studie.

Im Nationalpark Unteres Odertal etwa werden die Überflutungswehre reguliert: Von Mitte Mai bis Mitte November sind sie geschlossen, den Rest des Jahres dienen sie als Überflutungsflächen. Diese Regelung ist ein Kompromiss zwischen Naturschutz und landwirtschaftlicher Nutzung.

Die Bedeutung der Auen wird noch deutlicher, wenn man die Schadstoffbelastung der Oder betrachtet. Trotz Verbesserungen seit den 1990er Jahren gelangen nach wie vor Schadstoffe aus dem industriell geprägten oberen Einzugsgebiet in den Fluss. Besonders problematisch ist der hohe Salzgehalt, der beispielsweise 2022 eine giftige Algenblüte auslöste. Auch in den Sommern 2023 und 2024 wurden erneut bedenkliche Salzkonzentrationen gemessen.

Polder öffnen, um Auen zu erhalten

Die Analyse zeigt, dass die Oder-Auen nur wenig Austausch mit dem Grundwasser haben. Ihre Wasserreserven stammen vor allem aus den winterlichen Überflutungen und Niederschlägen. Damit sie als funktionierende Ökosysteme erhalten bleiben, müssen sie regelmäßig überflutet werden.

Die Forschenden warnen, dass der Klimawandel die hydrologischen Bedingungen drastisch verändern könnte. Längere Trockenperioden und höhere Verdunstung reduzieren den Wasserzufluss aus dem Fluss. Ein verlängertes Öffnen der Polder könnte diesem Trend entgegenwirken und die Vernetzung der Ökosysteme verbessern.

Bereits jetzt plant die Nationalparkverwaltung, einen Polder für fünf Jahre ganzjährig offen zu halten. Das IGB wird diese Maßnahme wissenschaftlich begleiten, um ihre Auswirkungen auf das Ökosystem zu dokumentieren.

Quellenhinweis:


Hanwu Zheng, Doerthe Tetzlaff, Christian Birkel, Jana Chmieleski, Jean-Christophe Comte, Jonas Freymueller, Tobias Goldhammer, Axel Schmidt, Ellen Wohl, Chris Soulsby (2025): Hydrological connectivity and biogeochemical dynamics in the function and management of the lower Oder floodplain. Journal of Hydrology, 653, 132708. https://doi.org/10.1016/j.jhydrol.2025.132708