Labor imitiert 4 Milliarden Jahre alte Proteine, um die Entstehung des Lebens und frühe Zellmechanismen zu erforschen
Forscher haben uralte Proteine aus der Frühzeit der Erde im Labor nachgebildet. Ihre Analyse zeigt, wie frühe Zellen komplexe Strukturen entwickelten und extreme Umweltbedingungen überlebten.

Bevor es Pflanzen, Tiere oder Menschen gab, stand das Leben vor einer grundlegenden Herausforderung: Proteine müssen sich korrekt falten, um funktionieren zu können. Schon die frühesten Zellen brauchten dafür molekulare Helfer.
Eine neue Studie rekonstruiert nun erstmals die Vorfahren dieser sogenannten Chaperonine – und zeigt, wie komplexe Proteinmaschinen Schritt für Schritt entstanden.
Molekulare Faltmaschinen der Zelle
Chaperonine sind tonnenförmige Eiweißkomplexe, die andere Proteine aufnehmen, abschirmen und in ihre funktionale Form bringen. Sie existieren heute in allen Bereichen des Lebens, unterscheiden sich jedoch deutlich in Aufbau und Mechanik. Wie diese Vielfalt entstand, war lange unklar.
Mithilfe moderner Evolutionsmodelle haben Forschende die wahrscheinlichsten Sequenzen uralter Chaperonine berechnet, im Labor synthetisiert und strukturell untersucht.
Der Weg von einfachen zu komplexen Strukturen
Das zentrale Ergebnis: Die ältesten rekonstruierten Chaperonine bestehen aus einzelnen Ringen. Erst im Verlauf der Evolution traten Doppelring-Strukturen auf, die heute als Standard gelten.
Besonders aufschlussreich ist eine Übergangsform, die sowohl Einzel- als auch Doppelringe bildet. Sie liefert erstmals experimentelle Hinweise darauf, dass sich molekulare Komplexität nicht abrupt, sondern über stabile Zwischenstufen entwickelte.
Ein evolutionäres Bindeglied
Diese Übergangsform besitzt zudem einen eingebauten Mechanismus zum Verschließen der Faltkammer – ohne zusätzliches Hilfsprotein. Damit verbindet sie Eigenschaften moderner bakterieller und archaischer Systeme und schließt eine bisher spekulative Lücke in der Evolutionsgeschichte der Chaperonine. Die Studie zeigt, dass selbst hochkomplexe Proteinmaschinen durch wenige strukturelle Veränderungen entstehen konnten.
Robuste Proteine für eine raue Welt
Auch funktional erweisen sich die rekonstruierten Proteine als überraschend leistungsfähig. Einige schützen andere Proteine selbst bei hohen Temperaturen effektiv vor dem Funktionsverlust – teils besser als moderne Vergleichsproteine.
Spuren extremer Umweltbedingungen
Weitere Hinweise liefert die elektrische Oberflächenladung der rekonstruierten Proteine. Besonders die ältesten Varianten sind stark negativ geladen – ein Merkmal, das heute typisch für Proteine aus sauren, salzreichen oder heißen Lebensräumen ist.
Equipos del @C_Astrobiologia y el #CNB_CSIC han reconstruido proteínas ancestrales para esclarecer la evolución celular en la Tierra.
— Centro Nacional de Biotecnología (CSIC) (@CNB_CSIC) December 11, 2025
El estudio traza la evolución de las chaperoninas, una de las máquinas moleculares más universales de la vida.
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Komplexität durch funktionierende Zwischenstufen
Zwar beruhen einige dieser Schlussfolgerungen auf Computermodellen und müssen experimentell weiter überprüft werden. Doch die Ergebnisse fügen sich gut in frühere Befunde zu verwandten Proteinfamilien ein, die ebenfalls auf einen Ursprung unter harschen Bedingungen hindeuten. Gemeinsam zeichnen sie ein konsistentes Bild früher molekularer Evolution.
Die Studie leistet damit mehr als einen Beitrag zur Proteinforschung. Sie zeigt exemplarisch, wie biologische Komplexität entstehen kann: nicht durch einen großen Sprung, sondern durch funktionierende Zwischenstufen.
Für das Verständnis früher Zellmechanismen – und möglicherweise auch für die Suche nach Leben außerhalb der Erde – ist das ein wichtiger Schritt.
Quelle
Severino, R., Cuéllar, J., Gutiérrez-Seijo, J., Maestro-López, M., Sánchez-Pulido, L., Santiago, C., Moreno-Paz, M., Valpuesta, J. M., & Parro, V. (2025). Ancestral Chaperonins Provide the First Structural Glimpse into Early Multimeric Protein Evolution. Molecular Biology and Evolution, 42(12), msaf314.