Haben Vulkanausbrüche den Schwarzen Tod ausgelöst? Eine neue Studie erklärt die globale Pestkrise im Mittelalter

Forschende haben herausgefunden, wie die Pest im Mittelalter nach Europa kam. Ein großer Vulkanausbruch hatte zu einer Hungerkrise geführt, weswegen die Italiener Getreide aus der Schwarzmeergegend importierten. Doch das hatte unerwünschte Mitreisende.

Das Fresko „Trionfo della Morte“ zeigt Opfer einer Epidemie aus unterschiedlichen sozialen Schichten, deren Seelen von Dämonen hinweggerafft werden.
Das Fresko „Trionfo della Morte“ zeigt Opfer einer Epidemie aus unterschiedlichen sozialen Schichten, deren Seelen von Dämonen hinweggerafft werden. Bild: Martin Bauch

Eine aktuelle Studie rückt die weltgeschichtlichen Ereignisse der Jahre um 1345 in ein neues Licht. Forschende haben Baumringdaten mit mittelalterlichen Schriftquellen verknüpft – und damit eine lang unterschätzte Kettenreaktion rekonstruiert, die schließlich den Schwarzen Tod nach Europa brachte.

Der Schwarze Tod oder die Pest ist eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit, die im 14. Jahrhundert eine der tödlichsten Pandemien der Menschheitsgeschichte auslöste. Ursache ist das Bakterium Yersinia pestis, das durch Nagetierflöhe sowie von Mensch zu Mensch übertragen wird.

Nach dem Szenario der Universität Cambridge und des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig hat ein großer Vulkanausbruch, möglicherweise auch eine Serie von Eruptionen, Mitte des 14. Jahrhunderts den Himmel über Eurasien verdunkelt. Die in die Atmosphäre geschleuderten Aerosole führten zu außergewöhnlich kalten Sommern, wie Baumringe aus den Pyrenäen zeigen. Das wird durch zeitgenössische Berichte von ungewöhnlich dichter Bewölkung und „dunklen Mondfinsternissen“ gestützt.

Kontakte zum Schwarzen Meer

Innerhalb weniger Jahre kam es zu massiven Ernteausfällen in vielen Teilen Europas und des Mittelmeerraums. Um drohende Hungersnöte abzuwehren, griffen italienische Stadtstaaten zu einem etablierten Mittel: Sie aktivierten ihre weitreichenden Handelsnetze und importierten Getreide aus dem Schwarzmeergebiet. Genau an diesem Punkt könnte sich ein folgenschwerer Übertragungsweg geöffnet haben, vermuten die Forschenden.

Getreidehandel und Ausbreitung der Pest, mit bekannten Getreideexporteuren (grün), -importeuren (orange) und -handelszentren (gelb).
Getreidehandel und Ausbreitung der Pest, mit bekannten Getreideexporteuren (grün), -importeuren (orange) und -handelszentren (gelb). Bild: Bauch & Büntgen, 2025

Denn mit den Getreidelieferungen gelangte vermutlich das Bakterium Yersinia pestis nach Europa – transportiert durch pestinfizierte Flöhe, die in den Frachten mitreisten. Das setzte die erste und besonders tödliche Welle der zweiten Pestpandemie in Gang, die ab 1347 in Europa wütete und Millionen Menschenleben kostete. „Ich wollte das schon immer verstehen“, sagt Professor Ulf Büntgen vom Geographischen Institut der Universität Cambridge.

Was trieb den Beginn und die Ausbreitung des Schwarzen Todes an? Warum kam es genau zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort?

Bündgen arbeitete gemeinsam mit dem Mittelalterhistoriker und Klimaexperten Dr. Martin Bauch vom GWZO. „Wir wollten Klima-, Umwelt- und Wirtschaftsbedingungen zusammendenken, um die Auslöser der zweiten Pestpandemie präziser zu verstehen“, erklärt Bauch. Besonders aufschlussreich sei gewesen, dass Regionen, die nach 1345 kein Getreide importierten, auffallend häufig von der ersten Pestwelle verschont blieben.

Handel mit negativen Folgen

Während viele europäische Gebiete zwischen 1347 und 1353 dramatische Bevölkerungsverluste erlitten, blieben Leipzig und Teile Ostmitteleuropas weitgehend unberührt. Auch einige Städte Italiens verzeichneten weniger Opfer, und zwar offenbar deshalb, weil sie nicht auf Schwarzmeergetreide angewiesen waren. Das durch die Notlagen ausgelöste Handelssystem war, so Bauch, „ein äußerst effizientes System zur Hungerabwehr“, öffnete aber „ungewollt die Tür für eine weit größere Katastrophe“.

Pest in Südeuropa: (A) erste gemeldete Pestausbrüche im Jahr 1347 (rote Sterne) mit den Schiffsrouten (schwarze Linien). (B) Spätere Pestausbrüche zwischen Januar und Mai 1348 (orange). (C) Pestausbrüche im Jahr 1348 (gelb). (D) alle Pestausbrüche von 1347 bis 1348, mit nicht betroffenen Regionen (grün).
Pest in Südeuropa: (A) erste gemeldete Pestausbrüche im Jahr 1347 (rote Sterne) mit den Schiffsrouten (schwarze Linien). (B) Spätere Pestausbrüche zwischen Januar und Mai 1348 (orange). (C) Pestausbrüche im Jahr 1348 (gelb). (D) alle Pestausbrüche von 1347 bis 1348, mit nicht betroffenen Regionen (grün). Bild: Bauch & Büntgen, 2025

Die in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlichte Studie versteht die historische Konstellation als frühes Beispiel dafür, wie eng globale Vernetzung, Umweltveränderungen und Gesundheitsrisiken zusammenwirken. „Auch wenn eine solche Häufung von Faktoren selten ist, wird in einer globalisierten Welt die Wahrscheinlichkeit steigen, dass zoonotische Krankheiten unter den Bedingungen des Klimawandels entstehen und Pandemiepotenzial entwickeln“, warnt Büntgen.

Für die Zukunft, so die Forschenden, bedeute das vor allem, dass Resilienz gegenüber neuen Pandemien einen ganzheitlichen Blick erfordere, genauso sowie die Bereitschaft, historische Erfahrungen in moderne Risikoanalysen einzubeziehen.

Quellenhinweis:

Bauch, M., & Büntgen, U. (2025): Climate-driven changes in Mediterranean grain trade mitigated famine but introduced the Black Death to medieval Europe. Communications Earth & Environment, 6, 986.