Flusspferde im eiszeitlichen Europa: Überlebten die Tiere länger als gedacht?

Flusspferde überlebten in Europa viel länger als gedacht: Eine neue Studie zeigt, dass sie noch mitten in der Eiszeit vor 47.000 bis 31.000 Jahren im Oberrheingraben lebten, trotz Kälte und Eis.

Das Flusspferd, das bis zum Ende der letzten Eiszeit in Europa gelebt hat (Hippopotamus antiquus), ist eng mit dem heute noch lebenden Flusspferd (Hippopotamus amphibius) verwandt.
Das Flusspferd, das bis zum Ende der letzten Eiszeit in Europa gelebt hat (Hippopotamus antiquus), ist eng mit dem heute noch lebenden Flusspferd (Hippopotamus amphibius) verwandt. Bild: Herbert Bieser/Pixabay

Flusspferde galten lange als Opfer der Kälte – ausgestorben in Europa mit dem Ende der letzten Warmzeit vor rund 115.000 Jahren. Doch eine neue Studie zeigt nun, dass sich die Tiere dort deutlich länger aufhielten: Noch vor etwa 47.000 bis 31.000 Jahren, also mitten in der letzten Eiszeit, lebten sie im Oberrheingraben im Südwesten Deutschlands.

Flusspferde (Hippopotamus amphibius) sind große, pflanzenfressende Säugetiere, die in Flüssen und Seen leben. Das Europäische Flusspferd (Hippopotamus antiquus) soll bis zum Jungpleistozän in Europa gelebt haben.

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Potsdam und der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim hat die bisherige Lehrmeinung auf den Kopf gestellt: Flusspferde überlebten in Mitteleuropa deutlich länger, als man dachte, und das trotz eiszeitlicher Bedingungen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Current Biology veröffentlicht.

Knochen erzählen Geschichten

Der Oberrheingraben gilt als bedeutendes Klimaarchiv, in dem Ablagerungen von Sand und Kies die Spuren längst vergangener Lebensräume bewahren. Hier wurden zahlreiche Tierknochen und darunter auch Reste von Flusspferden entdeckt.

Flusspferde lebten am Oberrhein im gleichen Zeitfenster wie Mammuts. Hier trifft in den Reiss-Engelhorn-Museen die Rekonstruktion eines Flusspferdes auf ein Mammutskelett.
Flusspferde lebten am Oberrhein im gleichen Zeitfenster wie Mammuts. Hier trifft in den Reiss-Engelhorn-Museen die Rekonstruktion eines Flusspferdes auf ein Mammutskelett. Bild: Rebecca Kind

„Es ist schon erstaunlich, wie gut die Knochen erhalten sind“, kommentiert Dr. Ronny Friedrich vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, das wie die ETH Zürich ebenso am Forschungsvorhaben beteiligt war.

An vielen Skelettresten war es möglich, auswertbare Proben zu entnehmen – nach dieser langen Zeit keine Selbstverständlichkeit.

Die Forschenden kombinierten Radiokarbonmessungen mit paläogenetische Analysen. Die DNA-Sequenzierungen ergaben, dass die europäischen Eiszeit-Flusspferde eng mit den heutigen afrikanischen Tieren verwandt waren und zur selben Art gehörten. Radiokarbondatierungen belegten zudem, dass die europäischen Tiere während einer milderen Klimaphase der mittleren Weichsel-Eiszeit lebten.

Kleine, isolierte Population

Eine weiterführende genomweite Analyse zeigte, dass die genetische Vielfalt der Tiere gering war. Das deutet darauf hin, dass die Population im Oberrheingraben klein und isoliert war. Dennoch überlebten die wärmeliebenden Tiere in einer Zeit, als Kälte und Gletscher das Bild Europas prägten, gemeinsam mit Mammuts und Wollnashörnern.

Linkes Unterkiefer-Fragment eines weiblichen Flusspferdes aus den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Slg. Reis Hippopotamus sp.). Altersdatierung: Zwischen 46.000 und 48.300 Jahre vor heute. Fundort: Bobenheim-Roxheim, Rhein-Pfalz-Kreis.
Linkes Unterkiefer-Fragment eines weiblichen Flusspferdes aus den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Slg. Reis Hippopotamus sp.). Altersdatierung: Zwischen 46.000 und 48.300 Jahre vor heute. Fundort: Bobenheim-Roxheim, Rhein-Pfalz-Kreis. Bild: Rebecca Kind

„Die Ergebnisse zeigen, dass Flusspferde am Ende der letzten Warmzeit nicht aus Mitteleuropa verschwunden sind, wie zuvor angenommen wurde“, fasst Erstautor Dr. Patrick Arnold zusammen. „Demzufolge sollten wir weitere europäische Flusspferd-Fossilien, die traditionell der letzten Warmzeit zugeordnet werden, erneut analysieren.“

Ein komplexes Eiszeit-Mosaik

In den Augen von Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und Leiter des Projekts Eiszeitfenster Oberrheingraben, wird offenbar, wie differenziert die Klimageschichte Europas war.

Die aktuelle Studie liefert wichtige neue Erkenntnisse, die eindrucksvoll belegen, dass die Eiszeit nicht überall gleich war, sondern dass es lokale Besonderheiten gab, die zusammen betrachtet ein komplexes Gesamtbild ergeben – ähnlich wie bei einem Puzzle.

Das Forschungsprojekt untersucht die Klima- und Umweltentwicklung im Südwesten Deutschlands über die vergangenen 400.000 Jahre hinweg. Die neue Studie belegt, dass selbst inmitten von Eis und Kälte ökologische Nischen existierten, in denen Flusspferde erstaunlich lange überleben konnten.

Quellenhinweis:

Arnold, P., Döppes, D., Alberti, F., et al. (2025): Ancient DNA and dating evidence for the dispersal of hippos into central Europe during the last glacial. Current Biology, 35, 1–9.