Flüchtige Zinnen als Gewittervorboten

Wäre es nicht schön in der Natur ein Anzeichen zu haben, dass hier bei uns in Mitteleuropa sogar recht gut vorhersagt, dass ein doch ausgeprägtes Gewitterpotenzial besteht? Und das ist es bzw. das gibt es in Form von den eventuell teilweise unscheinbaren mittelhohen Haufenwolken, die Ausbuchtungen aufweise, die wie die Zinnen einer Burg aussehen.

Altocumulus castellanus
Altocumulus castellanus Wolken über La Jolle, Kalifornien (USA) im Februar 1976,die auch leichte Falsstreifen aufweise durch Regen, der aber in der Luft noch verdunstet (Foto: Ralph F. Kresge)


Aber der Reihe nach. Es gibt ja einige sogenannte Wetterweisheiten bzw. Wettermythen. Doch nicht alle sind – sagen wir mal – so verlässlich oder sogar wirklich korrekt. Auf dem Wetterweisheitenmarkt schwirren einige billige Imitationen rum, die mehr in die Kategorie der legendären Fernsehsendung „Nepper, Schlepper Bauernfänger“ gehören. Einigen dieser hat sich mein geschätzter Kollege Markus Köss im Rahmen der kleinen informativen Reihe "Wetter-Mythen auf dem Prüfstand" gewidmet.

Hier soll es jetzt aber um ein Angebot auf dem meteorologischen Gemischtwarenladen geben, dass sein Geld wert ist. Auf dem Etikett finden wir den Namen „Altocumulus castellanus“. Mithin handelt es sich dabei – wie durch die Vorsilbe ‚alto‘ (vom Lateinischem ‘altum‘ für ‚Höhe) gekennzeichnet - um eine Wolke der mittleren Atmosphärenschichten (2-7 km), wo die Temperaturen in der Regel schon unter 0°C liegen, aber die Wolkentröpfchen noch in unterkühlter flüssiger Form vorhanden sind. Daneben zeigt der Wortteil ‚cumulus‘ an, dass die Form der Wolken eher etwas haufenförmiges ist. Die Zusatzbezeichnung ‚castellanus‘ gibt dann schließlich an, dass die Wolke zinnenförmige Auswüchse hat, wobei aus dem Lateinischen ‚castellanus‘ mit ‚die Burg betreffend‘ übersetzt werden kann. Als Abkürzung für die Wolke wird nebenbei bemerkt ‚Ac cas‘ verwendet.

Die „Altocumulus castellanus“-Wolken hat dabei oft eine langgestrecktere flache Wolkenbank aus der die Zinnen türmchenartig emporwachsen. Das tun sie sogar teilweise recht kräftiger, auch wenn die wolken an sich ein etwas unscheinbarer Vertreter der Wolkenzunft ist.

Vom prognostischen Nutzen der Wolke mit den Zinnen

Doch es lohnt sich genauer hinzuschauen. Denn Altocumulus castellanus Wolken sind ein sehr guter und früher Hinweis auf unruhiges, ja regelrecht gewittriges Wetter, das später am Tag kommen wird. Mithin erscheinen sie oft am Vormittag. Danach verschwinden dann meist erst wieder, so dass man evtl. denkt, dass es doch ein schöner, makelloser Tag wird. Doch der Schien trügt. Zum Nachmittag, wenn sich Cumuluswolken entwickeln, dann wachsen diese gerne weiter zu majestätischen Cumulonimben empor, den Gewitterwolken.

Tipp bei der Bergwanderung

Letztlich ist der prognostische Nutzen sehr hoch und man kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (in manchen Lehrbüchern wird von 100%) davon ausgehen, dass es zumindest im Umkreis von 100 km später am Tag zu Gewittern kommt. Vor allem in der Alpenregion, wo es etwas unschön ist bei einer Wanderung in den Bergen von einem Gewitter überrascht zu werden, wird die Beachtung der Altocumulus castellanus einem sehr ans Herz gelegt, um dann entsprechend auf der Hut zu sein und das Auftreten von Gewittern fast zwingend in der Planung zu berücksichtigen.

Gewitterwolke in Südfrankreich (Foto: Malte Neuper)
Nach dem morgendlichen Auftreten von Altocumulus castellanus, ist im weiteren Tagesverlauf teilweise verstärkt mit Gewittern zu rechnen (Foto: Malte Neuper)

Der Grund, dass der prognostische Nutzen recht hoch ist, liegt in der Tatsache begründet, dass die kräftigen Türmchen anzeigenzeigen, dass die Luft in den mittleren Schichten instabil, also empfänglich für vertikale Umlagerungen ist. Jede Cumuluswolke, die sich später bei einsetzender Thermik anfängt zu entwickeln, wird, wenn sie mit ihrem Wachstum in diese Schicht eindringt, beschleunigt weiterwachsen. Das Resultat ist rasch gerne eine ausgewachsene Gewitterwolke mit all ihren möglichen Unbillen.

Abschließend ist noch zu erwähnen, dass aus der Altocumulus castellanus Wolke selbst zwar auch etwas Regen fallen kann, aber dieser wird dann auf dem Weg zum Erdboden eher verdunsten, so dass nach unten hin nur mäßig weit reichende Fallstreifen (in der Fachsprache ‚virga‘ genannt‘) zu sehen sind. Anderseits können die Zinnen der Ac cas Wolken auch selbst weiter emporwacsen, was dann zur Bildung von sogenannter abgehobener Konvektion (engl.: ‚elevated convection‘) Anlass geben kann.

So oder so generell am Morgen bzw. am Vormittag lohnt sich im Sommer ein Blick auf den Himmel um für sich mit eigenen Sinnen den Wetterbericht, der von möglichen Gewittern spricht zu verifizieren oder – wenn der Wetterbericht lediglich einen sonnigen und trockenen Tag voraussagt, aber eben Altocumulus castellanus Wolken zu sehen sind, diesen für sich anzupassen und auf etwaige Gewitter gefasst zu sein.

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