Eine Wand aus Wasser: Die Welle, die sich im Jahr 2020 einer wissenschaftlichen Erklärung entzog

Im November 2020 wurde eine fast 18 Meter hohe Welle registriert, ein Phänomen, das so selten ist, dass es schätzungsweise nur einmal alle 1 300 Jahre auftritt. Diese Entdeckung stellt einen Meilenstein in der Erforschung von Riesenwellen dar, Phänomene, die bis vor kurzem nur als Teil der nautischen Folklore galten.

Große Welle in Nazaré, Portugal, wo 2017 der Rekord für die größte jemals gesurfte Welle aufgestellt wurde.
Große Welle in Nazaré, Portugal, wo 2017 der Rekord für die größte jemals gesurfte Welle aufgestellt wurde.

Im November 2020 tauchte vor der Küste von Ucluelet auf Vancouver Island, Kanada, wie aus dem Nichts eine Riesenwelle auf. Eine vom Institut MarineLabs betriebene Forschungsboje entdeckte das Ereignis: eine Wassermasse, die sich 17,6 Meter über den Meeresspiegel erhob, was der Höhe eines vierstöckigen Gebäudes entspricht.

Zwei Jahre später bestätigten die Wissenschaftler, dass es sich um die extremste Schurkenwelle handelte, die je gemessen wurde, da sie fast dreimal so groß war wie die umliegenden Wellen. Zum Vergleich: Eine Schurkenwelle ist definiert als eine Welle, die doppelt so hoch ist wie die durchschnittliche Höhe ihrer Umgebung. Die Ucluelet-Welle hat dieses Kriterium nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen.

Laut Johannes Gemmrich, Physiker an der Universität von Victoria, ist die Ucluelet-Welle "im Verhältnis wahrscheinlich die extremste Riesenwelle, die je aufgezeichnet wurde". Bisher wurden nur wenige solcher Wellen auf hoher See beobachtet, und keine von diesem relativen Ausmaß.

Vom Mythos zur Wissenschaft

Jahrhundertelang gehörten Riesenwellen eher zur Folklore als zur Wissenschaft. Seefahrergeschichten erzählten von riesigen Wasserwänden, die ganze Schiffe vernichten konnten, aber da es keine konkreten Beweise gab, blieben diese Geschichten im Reich der Mythen.

Das änderte sich 1995, als die Draupner-Ölplattform etwa 160 Kilometer vor der Küste Norwegens von einer fast 26 Meter hohen Welle getroffen wurde. Dieses Ereignis, das als "Draupner-Welle" bekannt wurde, war die erste wissenschaftliche Aufzeichnung einer Riesenwelle und revolutionierte die ozeanographische Forschung. Seitdem wurden Dutzende von ähnlichen Ereignissen dokumentiert, auch in Binnenseen.

Die Boje, die die Ucluelet-Welle erfasst hat, ist Teil eines Überwachungssystems, das von MarineLabs zur besseren Erforschung maritimer Gefahren eingesetzt wird.
Die Boje, die die Ucluelet-Welle erfasst hat, ist Teil eines Überwachungssystems, das von MarineLabs zur besseren Erforschung maritimer Gefahren eingesetzt wird.

Die in der Nähe von Ucluelet aufgetauchte Welle war zwar nicht die größte, aber ihre relative Größe im Vergleich zu den umliegenden Wellen war beispiellos.

Verborgene Gefahren auf hoher See

Obwohl diese Wellen weit vor der Küste entstehen können, stellen sie eine reale Gefahr für Schiffsbetriebe, Ölplattformen, Offshore-Windparks und sogar Küstengemeinden dar, wenn sie nahe genug herankommen.

Die Boje, die die Ucluelet-Welle erfasst hat, ist Teil eines Überwachungssystems, das von MarineLabs eingesetzt wird, um maritime Gefahren besser zu untersuchen. "Unser Ziel ist es, die Sicherheit und die Entscheidungsfindung für den Schiffsbetrieb und die Küstengemeinden durch eine umfassende Vermessung der weltweiten Küsten zu verbessern", erklärte Scott Beatty, CEO von MarineLabs.

Historische Ereignisse deuten darauf hin, dass einige rätselhafte Schiffsuntergänge in den 1970er Jahren möglicherweise durch unbemerkte Riesenwellen verursacht worden sind. In vielen Fällen wiesen die gefundenen Wrackteile Anzeichen auf, die auf den Einschlag kolossaler Wassermassen schließen lassen.

Eine ungewisse Zukunft

Auch der Klimawandel könnte eine Rolle bei der Häufigkeit dieser Monsterwellen spielen. Eine Studie aus dem Jahr 2020 warnt davor, dass die Wellenhöhen im Nordpazifik zunehmen könnten, was darauf hindeutet, dass Ereignisse wie Ucluelet häufiger auftreten könnten als derzeit vorhergesagt.

Jüngste Forschungsergebnisse deuten zudem darauf hin, dass extreme Wellen eine bis zu viermal höhere Höhe erreichen könnten, als die derzeitigen Modelle für möglich halten.

In der Zwischenzeit stellt die Aufzeichnung der Ucluelet-Welle nicht nur einen wissenschaftlichen Durchbruch dar, sondern ist auch ein Aufruf, die Anstrengungen zur Überwachung und zum Schutz der weltweiten Küsten und Meere zu verdoppeln.

Quellenhinweis:

Gemmrich, J., Cicon, L. Generation mechanism and prediction of an observed extreme rogue wave. Sci Rep 12, 1718 (2022). https://doi.org/10.1038/s41598-022-05671-4