Riesiges Potential von Ebbe und Flut! Könnten uns die Gezeiten bei der Energiewende helfen?

Das Auf und Ab der Gezeiten durch Ebbe und Flut kann dazu genutzt werden erneuerbare Energie aus dem Meer zu gewinnen. Die Gezeitenkraft stellt dabei einen riesigen Energievorrat dar und insbesondere im Vereinigten Königreich ist durch seine Insellage hierfür ein riesiges Potential vorhanden. Doch können Ebbe und Flut wirklich helfen, um von fossilen Energien loszukommen?

Gezeiten
Können die Gezeiten im Meer uns helfen von fossiler Energie loszukommen?

Es klingt verlockend und die Idee ist nicht neu: Die Gezeitenkraft schöpft aus dem sogenannten Tidenhub elektrische Energie, die durch das Zusammenspiel von Ebbe und Flut entsteht. Als Tidenhub gilt dabei das Ausmaß zwischen niedrigstem (Ebbe) und höchstem Pegelstand (Flut).

Auch wenn bei der Nutzung der Solar- und der Windenergie in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht wurden, wird im Zuge der Energiewende jede Form von erneuerbarer Energie gebraucht, die hilft von den fossilen Energien loszukommen.

Die Kraft des Wassers

Das Vereinigte Königreich hat als Inselstaat mit die stärksten Gezeiten der Welt und besitzt dadurch ein riesiges Potential diese Ressource zu nutzen. Dr. Amanda Smyth von der Universität Oxford erklärt dazu bei BBC News, dass die Gezeitenkraft noch nicht im großen Maßstab genutzt werde, sie aber glaube, dass sich das in Zukunft ändern werde. Dabei sind britische Unternehmen schon heute führend, wenn es darum geht die Kraft der Gezeiten zu nutzen.

Doch wie kommt es zu dem Phänomen von Ebbe und Flut? Der Grund für die Änderung des Meeresspiegels findet sich in der Wechselwirkung zwischen Mond und Erde wieder. Obwohl der Mond mehrere Hunderttausend Kilometer von der Erde entfernt ist, zieht er das Wasser unseres Planeten durch die Wirkung seiner Gravitationskräfte an.

Auf der mondzugewandten Seite der Erde ist die Gravitationskraft größer als die Fliehkraft und das Wasser wird Richtung Mond gezogen mit der Folge, dass ein Flutberg entsteht. Auf der mondabgewandten Seite ist die Gravitationskraft des Mondes kleiner als die Fliehkraft. Die Wassermassen verschieben sich in die entgegengesetzte Richtung und es entsteht ein zweiter Flutberg. Die Erde dreht sich bei ihrer täglichen Rotation vereinfacht gesagt unter den Flutbergen hindurch und so gibt es zweimal täglich Hochwasser und zweimal täglich Niedrigwasser.

Zuverlässig und berechenbar

Der große Vorteil in der Gezeitenkraft liegt darin, dass im Gegensatz zur Sonnen- oder Windkraft, jeden Tag zuverlässig Energie geliefert wird. Ebbe und Flut sind vorhersehbar und lassen sich im voraus exakt berechen. Laut Studien könnten so in Großbritannien bis zu 11 Prozent des jährlichen Strombedarfs gedeckt werden.

Die Idee zur Nutzung der Gezeiten als Energiequelle ist alles andere als neu und wurde schon im Mittelalter genutzt. Die Gezeitenmühle Woodbridge in Suffolk nutzt seit fast 1.000 Jahren diese Energieform zum Mahlen von Getreide. Dabei wird ein Damm genutzt, um das Wasser bei Flut aufzufangen und bei Ebbe durch eine Schleuse abzulassen und damit Energie zu gewinnen.

Seit 1967 ist in der Bretagne das erste kommerzielle Gezeitenkraftwerk in Betrieb. Eine 750 Meter lange Absperranlage trennt die Mündungsbucht der Rance vom offenen Meer. Der Eingriff in die Natur ist bei Gezeitenkraftwerken jedoch riesig und hat Auswirkungen auf den Salzgehalt des Wassers und damit auch auf die Tier- und Pflanzenwelt.

Bei einem Meeresströmungskraftwerk befinden sich die Turbinen, die Strom erzeugen, nicht in einer Absperranlage, sondern stehen frei im Wasser. Meeresströmungskraftwerke stoßen kein CO2 aus, greifen nur wenig in die Natur ein und sind für Meerestiere vermutlich keine Gefahr, da sich die Rotoren der Turbinen nur langsam drehen.

Hohe Kosten

Die größte Herausforderung bei dieser Art der Energiegewinnung liegt in den sehr hohen Kosten. Das Meer mit seinen Wellen, Strömungen und dem Salzgehalt im Wasser machen den Bau und die Wartung von Turbinenanlagen sehr schwierig und damit kostspielig.

Die Branche wird in Großbritannien staatlich unterstützt in der Hoffnung, dass das Wachstum der Gezeitenbranche die Kosten mittel- und langfristig senken werden. Dr. Danny Coles, Experte für Gezeitenkraft an der Universität von Plymouth, ist zumindest zuversichtlich, dass in 20 Jahren erhebliche Mengen des britischen Stroms aus der Gezeitenenergieindustrie stammen werden. „Das wird dem Energiesystem als Ganzes wirklich zugute kommen“, sagt er.