Die Meere als Retter des Klimas
Hauptfokus über ozeanbasierte Verfahren, um das schädliche Treibhausgas CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen, ist Carbon Dioxide Removal (CDR), also die aktive Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, verbunden mit der Speicherung von CO2 bei industriellen Prozessen.

Die Klimakatastrophe stresst die Meere und deren Rolle bei der natürlichen Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre.
Erwärmung und Versauerung machen die Problemzonen der Meere sichtbar. Die Folgen von Korallenbleiche und Sauerstoffverlust bis zum Rückgang von Artenvielfalt und der Verschiebung von Lebensräumen in Richtung Pole sind fatal. Sie beeinträchtigen direkt die natürliche Aufnahme von CO2 und verringern damit die Menge der aufgenommenen Treibhausgase.
Neue Rolle für die Meere
An Land sind für das Entstehen von Negativemissionen vor allem die Wälder verantwortlich. Die Wirkung von Aufforstungsprogramme wird jedoch durch industrielles Abholzen, speziell von tropischen Regenwäldern, konterkariert, so dass die natürliche landgebundene CO2-Kompensation in der Summe negative Tendenzen zeigt
Es gibt einige Ansätze für landgebundene technische Anlagen, die CO2 direkt aus der Luft filtern, beim Verbrennen von Biomasse abscheiden oder in Biokohle speichern.
Dies trifft auch auf marine Methoden wie das Carbon Dioxide Removal (CDR) zu. Damit wird der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre beschrieben. Als sicher gilt, dass solche Ansätze eine Rolle spielen können. Sie sind aber nicht die einfache Lösung für das Klimaproblem, die sich viele erhoffen.
Die Aussage großer Teile der Wissenschaft ist sehr eindeutig:
Wissenschaftliche Meinung weicht von politischer Hoffnung ab
Gerhard Herndl ist emeritierter Professor an der Universität Wien. Er leitete dort von 2009 bis 2023 die Arbeitsgruppe Bio-Ozeanografie & Marine Biologie.
Heute ist er Teil des wissenschaftlichen Beirats im UN-Programm Ocean Negative Carbon Emission (ONCE), in dem die ozeanbasierten CDR-Optionen diskutiert werden. Dabei geht es nicht nur um ihre naturwissenschaftlichen Möglichkeiten und die ökologische Tragweite, sondern auch um juristische-, politische- und sozialwissenschaftliche Aspekte.
In einem Gespräch mit der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD betonte Herndl, dass wir um eine große Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft nicht umhinkommen. Herndl dazu:
CDR-Methoden können seiner Ansicht nach lediglich helfen, die Werte wieder zu senken, was aber mehrere Generationen dauern werde.
Gedüngte Algen
Gerade bei den marinen Methoden des CDR mit ihren weitreichenden Eingriffen in die Ökosysteme stünden auch ethische Gesichtspunkte im Vordergrund. Herndl war schon vor zwanzig Jahren Mitglied einer Forschungsgruppe, bei der die sogenannte Eisendüngung im Gebiet der Antarktis im Fokus stand.
In den polarnahen Meeresregionen verhindert Eisenmangel das Gedeihen kleinster Algen. Führt man das Element künstlich zu, kommt es zu Algenblüten, die viel CO2 aufnehmen. Ein Teil der abgestorbenen Biomasse soll in die Tiefsee sinken und das CO2 so längerfristig speichern.
Für Herndl hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Das Eisen brächte die Algen zwar zur Blüte. Der gebundene Kohlenstoff werde jedoch in den oberen Meeresschichten wieder sehr schnell durch Mikroorganismen veratmet und freigesetzt.
Obwohl der Ansatz als ineffizient gilt, planen einige US-Unternehmen ein technologisch optimiertes Revival der Eisendüngung. Herndl sieht keine wissenschaftlichen Daten, die ein Vorhaben dieser Art zum Erfolg führen könnten.
Aufforstung
Ein weiterer Ansatz, der bereits vielfach umgesetzt werde, sei die „Wiederaufforstung unter Wasser“, also die Kultivierung von Seegraswiesen und der Aufbau neuer Mangrovenwälder.
sagte Herndl gegenüber dem STANDARD.
Leider brächte diese Rekultivierung wenig für den CO2-Haushalt, denn abgestorbene Pflanzen verrotten bald und geben dann das CO2 wieder ab.
Mehr Potenzial sieht Herndl bei großräumigen Aquakulturen mit Makroalgen, die samt gebundenem CO2 in der Tiefsee versenkt werden. Nährstoffreiches Tiefenwasser soll das Wachstum fördern.
Der Ansatz wird bereits in China praktiziert. Dennoch warnen Forschende vor einem zu schnellen Einsatz. Man weiß weder genug über die ökologischen Auswirkungen noch über die tatsächliche CO2 -Speicherwirkung.
Nach Ansicht von Herndl bestünden die besten Aussichten auf eine dauerhafte CO2 -Speicherung im Ozean nach aktuellem Forschungsstand in der Alkalisierung.
Hoffnungsträger Gesteinsmehl
Große Mengen Gesteinsmehl sollen ins Meer eingebracht werden. Als Transportmittel dienen Schiffe oder speziellen Anlagen an der Küste. Die basischen Minerale – zur Debatte stehen etwa Olivin, Basalt oder Magnesiumhydroxid – reagieren mit dem CO2 im Wasser und lassen Carbonate entstehen, die den Kohlenstoff für hunderte oder tausende Jahre binden.
Gleichzeitig würde man mit Alkalisierung über Gesteinsmehle auch die Versauerung der Meere reduzieren oder gar beenden. Dies bedeute einen enormen Doppelnutzen.
Doch auch bei diesem Ansatz stünde man noch am Anfang. Es gebe Unsicherheiten naturwissenschaftlicher, ethischer und wirtschaftlicher Art. So beinhalte Olivin auch Schwermetalle, die man mit der Alkalisierung auch in den Ozean einbringen würde.
Es ist gut zu sehen, dass es einige Pilotprojekte für all diese Methoden gibt. Festzuhalten ist allerdings auch, dass wir von einer sicheren und skalierbar praktischen Anwendung noch sehr weit entfernt sind.
Während Wissenschaftler die Rolle der Ozeane bei der Reduzierung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre weiter untersuchen, bleibt auch an Land genug zu tun.