Die größte Eiswüste der Erde weist die weltweit geringsten Eiskeim-Konzentrationen auf – aber warum?

In der Antarktis haben Forschende extrem geringe Konzentrationen von Eiskeimen entdeckt – niedriger als an jedem anderen Ort der Erde. Die Partikel beeinflussen normalerweise, welche Art von Wolken sich bildet, und damit auch, wieviel Wärme reflektiert wird.

Halo durch Eiswolken über der Antarktis. Halos entstehen durch Lichtbrechung häufig an Eiskristallen, wie sie in Cirrus- oder Cirrostratuswolken vorkommen.
Halo durch Eiswolken über der Antarktis. Halos entstehen durch Lichtbrechung häufig an Eiskristallen, wie sie in Cirrus- oder Cirrostratuswolken vorkommen. Bild: Silvia Henning/TROPOS

Die Antarktis ist der kälteste und trockenste Kontinent, auf dem sich zugleich auch die weltweit niedrigsten Konzentrationen sogenannter Eiskeime feststellen lassen. Das belegt nun eine neue Studie, die unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) entstanden ist.

Eiskeime oder Ice Nucleating Particles (INPs) sind winzige Teilchen, an denen Wolkentropfen zu Eiskristallen gefrieren können. Ohne sie würde Wasser erst unter –38 Grad Celsius zu Eis werden.

Eiskeime bzw. INPs beeinflussen die Strahlungswirkung, Niederschlagsbildung und Lebensdauer von Wolken, weswegen sie zu den größten Unsicherheiten globaler Klimamodelle gehören. Die Forschenden haben nun erstmals Filterproben von Wolkenpartikeln an drei Standorten der Antarktis analysiert – und konnten damit eine große Wissenslücke bedienen.

Warum Wolken im Süden anders funktionieren

Wolken aus flüssigen Tropfen reflektieren Sonnenlicht stärker als Wolken aus Eiskristallen. Dass die Wolken über dem Südlichen Ozean einen höheren Wasseranteil haben, war bereits länger bekannt, doch bisher hatten noch Daten zu den Ursachen gefehlt. Die neuen Messwerte zeigen nun, dass der Mangel an Eiskeimen wesentlich zu den wasserhaltigen Wolken beiträgt – was möglicherweise erklärt, warum sich die Südhalbkugel langsamer erwärmt als die Nordhalbkugel.

Für viele Weltregionen lässt sich ein klarer Jahresverlauf der Eiskeime ableiten, doch für die Antarktis hatten belastbare Messungen bisher gefehlt.

Das Forschungsteam sammelte Aerosole per Filter, lagerte sie bei –20 Grad Celsius und analysierte sie in Leipzig mit Spezialgeräten wie LINA (Leipzig Ice Nucleation Array) und INDA (Ice Nucleation Droplet Array), welche die Eiskeimanzahl in der Atmosphäre optisch bestimmen können. – Die umfangreichsten Datensätze stammen von der deutschen Antarktisstation Neumayer III, wo zwischen Dezember 2019 und 2021 durchgehend Proben genommen wurden.

Española Cove mit der spanischen Station Juan-Carlos-I.-Station. Hier hatten Leipziger Forschende während der spanischen Expedition PI-ICE im Südsommer 2018/19 Filterproben genommen, die in die Analyse der Eiskeime über der Antarktis eingegangen sind.
Española Cove mit der spanischen Station Juan-Carlos-I.-Station. Hier hatten Leipziger Forschende während der spanischen Expedition PI-ICE im Südsommer 2018/19 Filterproben genommen, die in die Analyse der Eiskeime über der Antarktis eingegangen sind. Bild: Sebastian Zeppenfeld/TROPOS

Auch Proben der belgischen Station Princess Elisabeth sowie Daten aus einer spanischen Expedition flossen in die Analyse ein. Das Ergebnis war, dass so niedrige Eiskeimkonzentrationen wie an Neumayer III und Princess Elisabeth weltweit noch nie gemessen wurden, historische Tiefstwerte also. „Unseres Wissens nach gab es auf dem Antarktischen Festland noch nie eine so lange Zeitreihe von Filtern, aus denen INPs bestimmt wurden“, erklärt Dr. Heike Wex vom TROPOS.

Keine Jahreszeiten – und kaum biologische Spuren

Das Besondere daran ist, dass die Messwerte weder saisonale Schwankungen noch hitzeempfindliche biologische Eiskeime zeigen. „Das deutet generell auf sehr wenige biogene proteinhaltige Eiskeime hin“, erklärt Wex – ein klarer Hinweis auf die geringe biologische Aktivität des Kontinents.

Da sowohl biologische Quellen als auch Staub nahezu komplett fehlen, befinden sich generell kaum Eiskeime in der Atmosphäre. Das könnte erklären, warum viele Wolken über dem Südpolargebiet ungewöhnlich lange flüssig bleiben.

Bedeutung für Klimamodelle

Außerdem entwickelte das Team eine Parameterisierung, mit der sich die Eiskeimzahlen an der Station Princess Elisabeth zuverlässig vorhersagen lassen. Ob sich die Erkenntnisse auch auf andere Regionen des Kontinents übertragen lassen, sollen Expeditionen zwischen 2027 und 2030 im Rahmen des internationalen Projekts Antarctica InSync klären.

„Unsere Ergebnisse liefern wichtige Daten, die dazu beitragen können, das Verständnis und damit auch die globalen Klimamodelle zu verbessern.“

– Dr. Silvia Henning, TROPOS

Die Forschenden geben zu bedenken, dass durch die Klimaerwärmung die Zahl biologischer Eiskeime künftig steigen könnte – ein weiterer Grund, die aktuellen Bedingungen penibel zu dokumentieren.

Quellenhinweis:

Wex, H., Eckermann, O., Jurányi, Z., Weller, R., Mangold, A., Van Overmeiren, P., Zeppenfeld, S., van Pinxteren, M., Dall’Osto, M., & Henning, S. (2025): Antarctica's unique atmosphere: Really low INP concentrations. Geophysical Research Letters, 52, e2024GL112583.