Streit an den Festtagen vermeiden: Diese Tipps geben Streitforscher bei kniffligen Familienkonstellationen
In vielen Familien kommt es an den Festtagen zu Auseinandersetzungen. Doch es gibt einige Tricks, wie man dem entgegensteuern kann. Experten raten etwa dazu, die Idealvorstellungen von Weihnachten zumindest infrage zu stellen. Auch lohnt es sich, gegenüber Fehlern etwas toleranter zu sein.

Weihnachten ist für viele der Inbegriff von Harmonie, Besinnlichkeit und familiärem Zusammenhalt. Doch ausgerechnet an den Feiertagen entladen sich Konflikte besonders häufig. Hohe Erwartungen, emotionale Vorbelastungen und das enge Beisammensein ohne Rückzugsmöglichkeiten machen das Fest für viele Menschen zur Zerreißprobe.
Der Streitforscher Dr. Christian Boeser von der Universität Augsburg beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Konflikten und ihrer Dynamik. Boeser erklärt, warum Streit an Weihnachten so leicht eskaliert – und wie man besser darauf reagieren kann. Dem Experten zufolge ist nicht der Konflikt selbst das Problem, sondern der Umgang damit.
„Weihnachten ist ein Fest, bei dem wir idealisierte Bilder im Kopf haben“, sagt Boeser. Solche Vorstellungen von perfekter Harmonie stünden jedoch im Widerspruch zur familiären Realität. „Aber ebenso wenig wie wir jedes Jahr ‚weiße Weihnachten‘ haben, ist das familiäre Zusammenkommen durchgängig ein Hochamt der Harmonie.“
Konflikte sind normal
Besonders konfliktträchtig sei, dass die Erwartungen an das Fest von Person zu Person stark variieren. Dadurch seien kleine Enttäuschungen kaum zu vermeiden. Schwierig sei auch der gesellschaftliche Druck, sich stets friedlich zu verhalten.
Entscheidend sei laut Boeser nicht, ob es zum Streit kommt, sondern was danach passiert. „Wir sollten akzeptieren: Wie wir uns in einer konkreten Situation verhalten, welche Fehler wir machen, ist weitaus weniger wichtig als unser Verhalten danach.“ Niemand verhalte sich immer korrekt – problematisch seien vielmehr Menschen, die genau das von sich behaupteten.

Der Streitforscher plädiert dafür, fehlerhaftes Verhalten kritiklos hinzunehmen. „Deswegen ist es auch empfehlenswert, eine gewisse Fehlertoleranz zu haben, egal ob sich der andere oder wir uns selbst einmal im Ton vergreifen.“ Großzügigkeit gegenüber sich selbst erleichtere Entschuldigungen, Großzügigkeit gegenüber anderen fördere Versöhnung. „Und mit dem anderen, weil das eine der zentralen Botschaften der Person ist, deren Geburt an Weihnachten gefeiert wird.“
Das erfordere ehrliche Gespräche darüber, was frühere Konflikte ausgelöst habe – mit sich selbst und mit den Angehörigen. Eine bewusste Vorbereitung könne dabei helfen, Eskalationen zu vermeiden. – Gleichzeitig warnt Boeser davor, den Blick nur auf Probleme zu richten. „Wichtig ist zum anderen die Frage: Was hat in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass Weihnachten insgesamt doch ganz schön geworden ist?“ Wer sich auch an gelungene Momente erinnere, könne diese gezielt stärken.
Dr. Christian Boeser ist Akademischer Oberrat an der Universität Augsburg, Leiter des Netzwerks Politische Bildung Bayern und Initiator des Projekts Streitförderer, das sich für eine demokratische Streitkultur einsetzt. Boeser wirbt dafür, Konflikte nicht zu fürchten, sondern konstruktiv zu nutzen – auch und gerade an Weihnachten.
Quellenhinweis:
Boeser, C. (2025): Streitförderer für Demokratie. Warum wir sie brauchen. Wie Sie einer werden. Ulm, Klemm + Oelschläger.