Diese italienische Stadt ist ergreifend schön und trotzdem nicht überlaufen
Vom Aperol Spritz auf der Piazza bis zu den Bauten des Renaissance-Architekten Palladio: Die zwischen Verona, Padua und Venedig gelegene Perle Norditaliens verbindet UNESCO-Welterbe und besonders hohe Lebensqualität.

Am Nachmittag öffnen die Geschäfte ihre Türen, in den Bars und Cafés an der Piazza dei Signori klirren Eiswürfel in Aperol Spritz-Gläsern. Gegenüber erheben sich der fast 80 Meter hohe Stadtturm aus dem 12. Jahrhundert und die marmorne Fassade der Basilica Palladiano. Sie ist keine Kirche, sondern ein Stadtpalast mit Geschäften im Parterre. Vom Korbsessel vor dem Café öffnet sich ein Bild von zeitloser Schönheit.
Der geballte Zauber italienischer Lebenskunst
Trotz der einmaligen Kulisse lassen viele Italienreisende Vicenza auf dem Weg von Verona nach Venedig links liegen. Zu groß ist die Strahlkraft der Stadt mit antikem Theater und Romeo-und-Julia-Balkon auf der einen und dem Lagunentraum in der Adria auf der anderen Seite.
Es ist dennoch ein schlimmes Versäumnis, denn die 110.000-Einwohner-Stadt ist mit den Palästen des Renaissance-Architekten Andrea Palladio buchstäblich gepflastert und bündelt dazu den ganzen Zauber italienischer Lebenskunst.
Andrea Palladio, 1508 in Padua geboren, baute Kirchen in Venedig und Paläste in Vicenza. So viele Villen und Stadtpaläste wie die Basilica schuf er hier, dass eigentlich die ganze Stadt sein Denkmal ist – nicht nur die Statue, an deren Füßen sich die Einwohner zum Plaudern und Promenieren treffen.
Folgerichtig würdigt die UNESCO hier keine Einzelbauten, sondern zählt die ganze Altstadt sowie die Villen Palladios im Umland zum Welterbe.
Eine so große Zahl von Palästen war vonnöten, weil Vicenza nicht von einer einzelnen Familie, sondern von einer Adelsclique beherrscht wurde, deren Mitglieder alle angemessen wohnen wollten.
Das älteste überdachte Theater Europas beeindruckt seit 400 Jahren
Ein wenig außerhalb schuf Palladio mit der perfekten Symmetrie der Villa „La Rotonda" sein Meisterwerk. 1580 wurde er mit dem Bau des berühmtem Teatro Olimpico beauftragt, dem ersten überdachten Theater in Europa. Die Fertigstellung sollte er allerdings nicht mehr erleben.
Der Italienreisende Goethe strebte, in Vicenza angekommen, eiligst zu dieser Bühne. „Ein Theater der Alten, aber im kleinen realisiert und unaussprechlich schön“, urteilte der Dichter beeindruckt. Von der ganzen Stadt war er entzückt, die er gleich zweimal besuchte, 1786 und 1790.
Goethe und die Jungfrau Maria erschienen hier zweimal
Dank florierender Textil- und Schmuckindustrie gehört Vicenza zu den wohlhabendsten Städten Italiens. In den Bogengängen der Altstadt haben die großen italienischen Designer ihre Filialen, in den Palästen residieren Banken und Verwaltung in feudalem Ambiente. Dass die Jungfrau Maria in Vicenza - wie Goethe - gleich zweimal erschien, beweist auch ihren guten Geschmack.