Wie entstehen Galaxien? Astronomen untersuchen Entwicklungsstufen uralter Scheibengalaxien
Wie entstehen Galaxien – und wie entwickeln sie sich über Milliarden Jahre weiter? Neue Aufnahmen von Scheibengalaxien, wie auch unsere Milchstraße eine ist, erlauben erste Rückschlüsse auf den konkreten Bildungsprozess.

Galaxien lassen sich ihrer Form nach unterscheiden: Es gibt Spiralgalaxien, irreguläre und weiche Galaxien. Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist zum Beispiel eine Spiralbalkengalaxie. Bei diesem Galaxientyp sind die Spiralarme und ein Balken in einer ebenen Scheibe angeordnet.
In Teleskopaufnahmen sind solche Scheibengalaxien manchmal von der Seite zu sehen, als würden sie auf der Kante stehen (engl. „edge-on“). Oft sieht man dann nicht mehr als einen leuchtenden Strich. Bei der genauen Betrachtung lassen sich jedoch zwei zentrale Komponenten unterscheiden: eine dünne Scheibe und eine dicke Scheibe. Die dünne Scheibe enthält jüngere, metallreichere Sterne, die dicke Scheibe ältere, metallarme Sterne.
Archive der Sternentstehung
Lange Zeit konnten solche Strukturen nur in der Milchstraße und in Galaxien der unmittelbaren Umgebung beobachtet werden. Grund dafür war, dass frühere Teleskope nicht leistungsfähig genug waren, um die feinen vertikalen Strukturen entfernter Galaxien, besonders bei Kantenansicht, ausreichend darzustellen.
Mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST), das seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2021 das leistungsfähigste Teleskop im All ist, ist nun ein Durchbruch gelungen: Ein internationales Forschungsteam untersuchte 111 hochauflösende JWST-Aufnahmen entfernter Galaxien, die lediglich seitlich, also auf der Kante, sichtbar waren. Durch diese Perspektive war es erstmals möglich, die vertikale Schichtenstruktur weit entfernter Galaxien zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.
– Takafumi Tsukui, Leiter des Forschungsteams, Tohoku-Universität in Japan, ehem. Australian National University
Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: In der frühen Phase des Universums dominierten Galaxien mit nur einer dicken Scheibe. Erst später bildeten sich zunehmend Galaxien mit einer dünnen Scheibe.

Das Muster deutet auf einen zeitlichen Ablauf in der galaktischen Entwicklung hin: Zunächst entsteht eine dicke Scheibe durch intensive Sternentstehung in turbulenten Gasstrukturen. Sobald sich diese Scheibe etabliert hat, beruhigt sich das galaktische Gas, was wiederum die Voraussetzung ist für die Entstehung der dünneren, stabileren Scheibe im Inneren.
Szenario der Scheibenentwicklung
In massereicheren Galaxien scheint dieser Übergang früher stattgefunden zu haben. Für Galaxien von der Größe der Milchstraße datiert das Team den Zeitpunkt der Entstehung der dünnen Scheibe auf etwa acht Milliarden Jahre zurück. Die Schätzung deckt sich mit bisherigen Erkenntnissen über die Sternentstehungsgeschichte unserer Galaxie.
Die JWST-Daten wurden durch Beobachtungen der Gasbewegungen in Galaxien ergänzt, die unter anderem mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) sowie mit bodengestützten Teleskopen durchgeführt wurden. Insgesamt erlauben die Resultate folgende Rückschlüsse auf die Scheibenentwicklung:
- In der Frühzeit des Universums waren galaktische Scheiben gasreich und sehr turbulent.
- Die intensive Sternbildung in dieser Umgebung führte zur Ausbildung dicker Scheiben.
- Mit der Zeit stabilisierten die Sterne das interstellare Gas.
- In der ruhigeren Umgebung konnte sich eine dünne Scheibe im Innern bilden.
- Besonders große Galaxien waren in der Lage, diesen Übergang früher zu vollziehen.
„Die JWST-Bilder helfen uns, eine der großen Fragen der Astronomie zu beantworten: War die Entstehung unserer Milchstraße typisch oder eine Ausnahme?“, erklärt Tsukui.
Die Forschenden hoffen, dass ihre Arbeit das Wissen über nahe Galaxien besser mit jenem entfernter Systeme verbindet – und dass sie unser Verständnis der kosmischen Evolution erweitert.
Quellenhinweis:
Tsukui, T., Wisnioski, E., Bland-Hawthorn, J., & Freeman, K. (2025): The emergence of galactic thin and thick discs across cosmic history. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.