Rasende Winde auf dem Roten Planeten: Marsatmosphäre stürmischer als lange angenommen

Astronomen haben die Windgeschwindigkeiten auf der Marsoberfläche neu berechnet. Dabei orientierten sie sich an Staubteufeln, weil sie an denen Richtung und Stärke der Winde genau ablesen konnten.

Aufnahme eines Staubteufels, also eines Wirbelsturms aus Staub, der über die Marsoberfläche fegt.Aufnahme eines Staubteufels, also eines Wirbelsturms aus Staub, der über die Marsoberfläche fegt.
Aufnahme eines Staubteufels, also eines Wirbelsturms aus Staub, der über die Marsoberfläche fegt. Bild: CC BY SA 3.0 IGO ESA/TGO/CaSSIS

Auf dem Mars toben Winde mit bisher unerwarteter Wucht: Sie erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern pro Stunde. Damit sind sie deutlich stärker, als bisherige Messungen vermuten ließen. Forschende untersuchten die Bewegung von Staubteufeln auf dem Mars – das sind kleine, rotierende Staubwirbel, die über die rötliche Marsoberfläche fegen.

Staubteufel entstehen, wenn durch Sonneneinstrahlung erwärmte Luft aufsteigt und beginnt, sich zu drehen. Sie bilden charakteristische Säulen aus feinem Staub, die oft mehrere hundert Meter hoch werden.

Das internationale Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern wollte ein genaues Bild der atmosphärischen Dynamik des Roten Planeten erhalten. Denn auch wenn die Marsatmosphäre nur etwa ein Hundertstel der Dichte der irdischen Luft erreicht, ist Wind entscheidend für die Staubverteilung – und damit für Wetter, Klima und Oberflächenprozesse. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.

Staubteufel als natürliche Windmesser

Auf den Satellitenbildern sind die Wirbel deutlich zu erkennen, während der Wind selbst unsichtbar bleibt. Genau das macht sie für die Forschung so wertvoll: Sie dienen als natürliche Indikatoren für Windrichtung und -geschwindigkeit.

„Mit Hilfe eines hochmodernen Deep-Learning-Ansatzes konnten wir in über 50.000 Satellitenbildern Staubteufel identifizieren.“

– Dr. Valentin Bickel, Center for Space and Habitability, Universität Bern

Die Forschenden nutzten dazu Daten der Berner Mars-Kamera CaSSIS (Colour and Stereo Surface Imaging System) sowie der HRSC (High Resolution Stereo Camera). Beide Systeme stammen von europäischen Raumfahrtmissionen der ESA – CaSSIS befindet sich an Bord des ExoMars Trace Gas Orbiter, HRSC hingegen auf der Sonde Mars Express.

Für rund 300 der Staubteufel wurden sogenannte Stereobilder analysiert. „Stereobilder sind Bilder derselben Stelle auf der Oberfläche des Mars, die aber im Abstand von einigen Sekunden aufgenommen wurden“, erklärt Co-Autor Nicolas Thomas, Leiter der Entwicklung von CaSSIS an der Universität Bern.

Diese Bilder können zur Messung der Bewegung von Staubteufeln verwendet werden.

Wenn die Bilder in einer Sequenz abgespielt werden, zeigen sie, wie dynamisch sich die Staubwirbel über die Oberfläche bewegen. So konnte erstmals genau bestimmt werden, wie schnell sich Staubteufel und die sie begleitenden Winde fortbewegen.

Marswinde stärker als gedacht

Das Ergebnis überrascht selbst Fachleute: Die gemessenen Windgeschwindigkeiten erreichen bis zu 44 Meter pro Sekunde, also rund 160 Kilometer pro Stunde. Frühere Schätzungen waren auf Werte von höchstens 100 Kilometern pro Stunde gekommen. Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Winde das Aufwirbeln und Transportieren von Staub beeinflussen.

„Die starken, geradlinigen Winde bringen mit großer Wahrscheinlichkeit eine beträchtliche Menge an Staub in die Marsatmosphäre ein – und zwar wesentlich mehr als bisher vermutet“, so Dr. Valentin Bickel vom Center for Space and Habitability der Universität Bern. Das Team konnte zudem erstmals auf globaler Ebene und über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten nachweisen, wo und wann die Marswinde stark genug sind, um Staub von der Oberfläche zu heben.

Bedeutung für künftige Marsmissionen

„Ein besseres Verständnis der Windverhältnisse auf dem Mars ist entscheidend für die Planung und Durchführung von zukünftigen Landemissionen“, sagt Daniela Tirsch vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dank der neuen Daten lassen sich Atmosphärenmodelle verbessern, womit Risiken für Raumsonden, Landefähren oder Rover besser eingeschätzt werden können.

Die Studie stellt damit eine gute erste Grundlage für zahlreiche Forschungsfelder dar, von der Dünenbildung über Erosionsprozesse bis hin zur Entwicklung genauer Wetter- und Klimamodelle für den Mars.

Blick in die Zukunft

Das Berner Forschungsteam plant bereits die nächsten Schritte. In den kommenden Jahren sollen weitere Beobachtungen von Staubteufeln mit CaSSIS und HRSC folgen, um die bestehenden Daten zu ergänzen und langfristige Trends zu erfassen.

„Unsere Forschung soll langfristig dazu beitragen, die Planung von Marsmissionen effizienter zu gestalten.“

– Dr. Valentin Bickel, Center for Space and Habitability, Universität Bern

Die rasenden Winde des Mars, einst nur schemenhaft bekannt, rücken damit ins Blickfeld der Forschung – und erzählen eine neue Geschichte über das Wetter auf unserem Nachbarplaneten.

Quellenhinweis:

Bickel, V. T., Almeida, M., Read, M., Schriever, A., Tirsch, D., Hauber, E., Gwinner, K., Thomas, N., & Roatsch, T. (2025): Dust Devil Migration Patterns Reveal Strong Near-surface Winds across Mars. Science Advances.