Erste Molekülchemie des Universums entschlüsselt: Bildeten sich die ersten Sterne früher als bisher gedacht?

Von der Geburt der ersten Atome bis zur Entstehung der ersten Sterne war es ein weiter Weg – für den vor allem chemische Reaktionen die Grundlage bildeten. Eine neue Studie liefert nun bahnbrechende Erkenntnisse zur Rolle des Heliumhydrid-Ions (HeH⁺), des ältesten Moleküls im Universum.

Neue Experimente zeigen, dass sich die ersten Sterne früher gebildet haben könnten.
Neue Experimente zeigen, dass sich die ersten Sterne früher gebildet haben könnten. Bild: NASA

Kurz nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren war das Universum noch ein extrem heißes, dichtes Plasma aus Protonen, Neutronen, Elektronen und Photonen. Doch schon wenige Minuten später bildeten sich erste Atomkerne – hauptsächlich Wasserstoff und Helium. Es dauerte jedoch noch rund 380.000 Jahre, bis das Universum so weit abgekühlt war, dass sich diese Kerne mit Elektronen zu neutralen Atomen verbinden konnten. Im Kosmos war damit der Weg für die erste Chemie geebnet.

Das erste Molekül, das in der Anfangsphase des Universums entstand, war das Heliumhydrid-Ion HeH⁺ – ein Heliumatom mit einem ionisierten Wasserstoffkern. Die Verbindung war der erste Schritt in einer Kettenreaktion, die letztlich zur Bildung von molekularem Wasserstoff (H₂) führte, dem wichtigsten Molekül im heutigen Universum.

In der sogenannten Dunklen Ära des Universums, der Zeit zwischen der Entstehung neutraler Atome und dem Aufleuchten der ersten Sterne, gab es zwar kein Licht, aber bereits eine komplexe Chemie. Gerade in dieser Phase waren Moleküle wie HeH⁺ und H₂ sehr wichtig, denn ohne sie hätten sich die ersten Sterne möglicherweise gar nicht oder nur sehr viel langsamer gebildet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg.

Wie Sterne entstehen

Damit aus einer kühlen, diffusen Gaswolke ein leuchtender Stern wird, muss sich das Gas stark verdichten. Das geschieht nur, wenn es seine Wärme abgeben kann. Bei Temperaturen unter 10.000 Grad Celsius gelingt das Wasserstoffatomen allein kaum. Moleküle wie HeH mit ausgeprägtem Dipolmoment können hingegen über Schwingungs- und Rotationsbewegungen besonders gut Energie abstrahlen, erklären die Forschenden.

Die Konzentration des Heliumhydrid-Ions im frühen Universum hat damit möglicherweise signifikanten Einfluss auf die Effektivität der frühen Sternentstehung.

Ein zentraler Reaktionsweg, der zur Entstehung von molekularem Wasserstoff führte, war die Kollision von HeH⁺ mit freien Wasserstoffatomen. Dabei entstand neben einem neutralen Heliumatom ein H₂⁺-Ion, das in weiteren Schritten zu H₂ wurde. Um diese frühen Vorgänge nachbilden zu können, musste man die genauen Reaktionsraten kennen – doch gerade hier gab es bisher Unsicherheiten.

Reaktionsschema der Reaktion des Helium-Hydrid-Ions mit Deuterium
Reaktionsschema der Reaktion des Helium-Hydrid-Ions mit Deuterium. Es handelt sich um eine schnelle und barrierefreie Reaktion, anders als bisherige Theorien vermuteten. Hintergrund: Der planetarischen Nebel NGC 7027, in rot molekularer Wasserstoff. Bild: MPIK/W. B. Latter (SIRTF Science Center/Caltech)/NASA

Am Heidelberger MPIK wurde nun erstmals eine dieser Schlüsselreaktionen unter weltraumähnlichen Bedingungen experimentell untersucht. Im Mittelpunkt stand hierbei die Reaktion von HeH⁺ mit Deuterium, einer schweren Wasserstoffvariante. Durchgeführt wurde das Experiment im kryogenen Speicherring CSR, einem weltweit einzigartigen Gerät zur Untersuchung von Reaktionen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt.

Neue Theorien über die ersten Sterne

Die Forschenden lagerten HeH⁺-Ionen bei nur wenigen Kelvin im Speicherring und ließen sie mit einem Strahl neutraler Deuteriumatome kollidieren. Dabei konnten sie messen, wie oft und mit welcher Energie die Reaktionen abliefen. Das Ergebnis überraschte, denn die Reaktionsrate blieb über einen weiten Temperaturbereich nahezu konstant, und das entgegen früherer Theorien.

„Bisherige Theorien sagten einen signifikanten Abfall der Reaktionswahrscheinlichkeit bei niedrigen Temperaturen voraus, diesen konnten wir aber weder im Experiment noch in neuen theoretischen Rechnungen unserer Kolleg:innen nachweisen.“

– Dr. Holger Kreckel, Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg

Die experimentellen Befunde stimmen mit neuen theoretischen Modellen überein. So hatte beispielsweise die Arbeitsgruppe um den Physiker Yohann Scribano einen fundamentalen Fehler in der bisher verwendeten Potentialfläche festgestellt – eine mathematische Grundlage, um Molekülwechselwirkungen zu berechnen. Die korrigierten Modelle stimmen nun jedoch sehr gut mit den Beobachtungen überein.

Wenn Reaktionen wie die von HeH⁺ mit Wasserstoff oder Deuterium besser ablaufen als bisher gedacht, könnte das bedeuten, dass mehr molekularer Wasserstoff früher entstand und dass damit die Voraussetzungen für die Bildung der ersten Sterne günstiger waren.

Das unscheinbare Molekül HeH⁺ bringt die Wissenschaft erneut ein Stück näher an die Wahrheit über die kosmische Frühgeschichte: ein kleiner chemischer Baustein mit großer Wirkung für das entstehende Universum.

Quellenhinweis:

Grussie, F., et al. (2025): Experimental confirmation of barrierless reactions between HeH+ and deuterium atoms suggests a lower abundance of the first molecules at very high redshifts. Astronomy & Astrophysics, 699, L12.