Tuvalu und der Pazifik im Klimanotstand: WMO enthüllt das Ende vieler Paradiese

Es ist ein stiller Exodus, der sich derzeit auf einer der entlegensten Inselgruppen der Welt abspielt: Immer mehr Menschen aus Tuvalu wollen weg. Der winzige Inselstaat im Südpazifik steht unter Wasser – buchstäblich.

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Funafuti-Atoll, Tuvalu – Kampf gegen das Versinken im Pazifik

Aus Angst vor dem steigenden Meeresspiegel und dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen streben Tausende nach Australien, das begrenzte Aufnahmemöglichkeiten geschaffen hat.

Laut übereinstimmenden Medienberichten haben allein in den letzten Wochen mehr als 5.000 Menschen – die Hälfte der Bevölkerung Tuvalus – ein Visum beantragt. Möglich macht das ein neues Resettlement-Abkommen mit Australien, das seit Juli 2025 jährlich 280 Menschen aus Tuvalu dauerhaft aufnimmt.

Dabei betrifft die Bedrohung durch den Klimawandel nicht nur Tuvalu:

Viele Inselstaaten und Küstenregionen im Pazifik stehen vor ähnlichen Herausforderungen, und auch dort wächst der Druck, neue Lebensräume zu finden.

Rekordhitze, brennende Meere – die Ozeane kippen

Doch Tuvalu ist nur ein Beispiel von vielen. Die neue Klimabilanz der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) für das Jahr 2024 zeigt: Der Südwestpazifik steht am Rande des Kipppunkts.

Die Region erlebt eine dramatische Zuspitzung klimatischer Extreme – mit katastrophalen Folgen für Mensch, Natur und Kultur:

  • 2024 war das wärmste Jahr im Südwestpazifik seit Beginn der Messungen, mit durchschnittlich 0,48 °C über dem Referenzzeitraum 1991–2020.
  • Die jährliche Meeresoberflächentemperatur im Südwestpazifik lag 2024 bei etwa 0,48 °C über dem langjährigen Mittel (1991–2020) und erreichte damit Rekordwerte, knapp hinter dem bisherigen Höchststand von 2022.
  • Gleichzeitig breiteten sich marine Hitzewellen über eine Fläche von 40 Millionen Quadratkilometern aus – größer als Asien,was mehr als 10 % der globalen Ozeanfläche entspricht – eine Rekordfläche seit Beginn der Aufzeichnungen 1993.
  • Ganze Fischbestände, Korallenriffe und Lebensräume sterben in der Überhitzung der Ozeane.

Besonders betroffen sind das Korallendreieck, der Tasmansee und die Gewässer um die Pazifischen Inselstaaten – viele dieser Regionen erleben bereits seit Jahren eine Kombination aus Ozean-Erwärmung, Versauerung und Sauerstoffmangel, die das ökologische Gleichgewicht massiv stört.

Inseln ertrinken – und mit ihnen ganze Kulturen

Der Meeresspiegel in der Region steigt schneller als weltweit. In vielen Pazifikstaaten leben mehr als 50 % der Bevölkerung weniger als 500 Meter vom Meer entfernt.

In Fidschi etwa wurde eine Insel so stark überflutet, dass sie bei starkem Regen per Boot durchquert werden konnte, ohne Land zu berühren. Landwirtschaft ist dort kaum noch möglich. Umsiedlung wird unausweichlich – doch viele wollen nicht gehen, aus kultureller und spiritueller Verbundenheit zum Land.

Auf der besonders betroffenen Insel Serua versagen inzwischen selbst Mangrovenpflanzungen und Deiche.

Die Regierung bietet den 150 verbliebenen Bewohnern Umsiedlungshilfe an – doch viele lehnen ab. Das Konzept „Vanua“ – der untrennbare Zusammenhang zwischen Land, Identität, Familie und Vorfahren – macht den Verlust des Heimatbodens zu einem kulturellen Trauma.

Zyklonhölle auf den Philippinen

Gleichzeitig werden tropische Stürme heftiger. Die Philippinen traf im Herbst 2024 eine historische Taifunserie mit zwölf Stürmen innerhalb weniger Wochen. 13 Millionen Menschen waren betroffen, über eine Million wurden obdachlos. Nur dank vorausschauender Frühwarnsysteme konnten größere Todeszahlen verhindert werden.

Erfolgreich war etwa der Einsatz sogenannter Antizipationshilfen: Bargeldtransfers, die Evakuierung von Fischerbooten und vorbereitete Notlager trugen dazu bei, dass trotz Rekordschäden vergleichsweise wenige Menschen starben. Das Modell gilt inzwischen als Vorbild für andere Staaten in der Region.

Der letzte Gletscher schmilzt – Indonesien verliert sein Eis

Auch Indonesien verliert, was einst als ewiges Eis galt: Der letzte tropische Gletscher in Neuguinea ist fast verschwunden. Sollte die Schmelze in diesem Tempo weitergehen, wird das Eis bis 2026 komplett verschwunden sein – ein weiteres Symbol für die rasende Erderwärmung.

Zwischen 2022 und 2024 ist die Eisfläche um bis zu 50 Prozent geschrumpft – ein Tempo, das selbst erfahrene Glaziologen überrascht hat.

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Funafuti, Tuvalu: Wo Ozean und Lagune die Insel bedrohen.

Die Warnung ist eindeutig – die Uhr tickt

Die WMO warnt, dass ohne drastische Gegenmaßnahmen Millionen Menschen im Pazifikgebiet ihre Heimat verlieren werden.

Die Realität sei längst keine Zukunftsvision mehr – sie sei da.

Jedes Jahr sind laut WMO mindestens 50.000 Menschen im Pazifik akut durch Klimawandelfolgen von Vertreibung bedroht. Für viele ist der Exodus längst Realität.

Tuvalu ist nur der Anfang

Tuvalu steht heute dort, wo viele andere morgen stehen werden. Es geht längst nicht mehr nur um Inseln. Es geht um das Menschsein im Zeitalter des Klimawandels.

Quelle

Weltorganisation für Meteorologie (WMO), State of the Climate in the South-West Pacific 2024, veröffentlicht am 5. Juni 2025.