Klimaschutz ist ein Gewinn
Klimaschutz ist ein Thema des wohlhabenderen Teils der Bevölkerung. So zumindest die Aussage der Menschen, die weniger Geld haben. Doch stimmt diese Meinung? Kann sich der weniger wohlhabende Teil der Bevölkerung tatsächlich den Klimaschutz gar nicht leisten? Sind die Themen Umwelt- und Naturschutz ein Privileg der Reichen?

In der österreichischen Tageszeitung Der Standard erschien zur Beantwortung dieser Fragen ein Gastkommentar von Jana Kesenheimer. Sie ist an der Universität Innsbruck im Fachbereich Sozialpsychologie tätig und beschäftigt sich vorrangig mit umweltpsychologischer Forschung.
Bedeutung der Themen
Wenn man Umfragen in Deutschland und Österreich zu Umwelt- und Klimaschutz betrachtet, spielt spielt für die Mehrheit der Menschen das Thema weiterhin eine wichtige Rolle. Allerdings bestätigen neueste Analysen, dass dieser Trend seit mehreren Jahren rückläufig ist. In einem meiner nächsten Artikel werde ich zwei Studien dazu vorstellen.
Auch in den Medien und vor allen Dingen in der Politik zeigt sich derzeit, dass Klimaschutz an Sichtbarkeit verliert. Durch die Zunahme von Zweiflern oder Leugnern des menschengemachten Klimawandels ist eine Lagerbildung entstanden. Neben den Verfechtern dringender Maßnahmen zu Reduzierung der Treibhausgase gibt es ein zweites Lager, das diese Dringlichkeit in Zweifel stellt. Dessen Devise lautet, dass es „...schon nicht so schlimm kommen wird, wie es die Prognosen besagen“ und „...der technologische Fortschritt seinen Teil zur Eindämmung der Erderwärmung leisten wird.“ Das dritte Lager lehnt den menschengemachten Klimawandel und seine Folgen komplett ab und stellt ihn als Erfindung politisch motivierter Wissenschaftler dar.
Politische Instrumentalisierung
Speziell aus Kreisen des zweiten Lagers erfolgt eine politische Instrumentalisierung. Klimaschutz wird dort als etwas dargestellt, das man sich "leisten können" müsse. Genau da beginnt der Ansatz von Jana Kesenheimer.
Ihrer Meinung nach trifft diese Wahrnehmung gesellschaftlich auf fruchtbaren Boden: Menschen würden besonders empfindlich auf potenzielle Verluste reagieren. Dadurch entstehe der Eindruck, dass Klimaschutz nicht nur kostspielig und mühsam sei, sondern ein Privileg für Besserverdienende.
Dies sei ihrer Meinung nach in zweierlei Hinsicht paradox. Einerseits ginge ein höherer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Status eines Individuums typischerweise mit einem größeren CO₂-Fußabdruck einher, weil mehr Ressourcen durch Konsum und Reiseverhalten (Stichwort Flugreisen) verbraucht würden.
Gleichzeitig werde aber genau der Zielgruppe der Besserverdiener ein besonders hohes Umweltbewusstsein nachgesagt.
Sie stellt die These vor, nach der sich eine Gesellschaft einen Verzicht auf Klimaschutzmaßnahmen auch leisten können muss.
Dies wird in verschiedenen Studien bestätigt, aus denen hervorgeht, dass die ökologischen und sozialen Folgekosten bei Weitem die vermeintlichen kurzfristigen Einsparungen durch das Ignorieren von Anpassungen an den Klimawandel übersteigen.
In einem Beispiel dazu beschreibt sie die finanziellen Folgen des Hochwassers vom September 2024, dass in Österreich Schäden von mehr als 1 Milliarde Euro verursacht hatte. Ihre Aussage dazu:
Rahmenbedingungen
Diese Tatsache läge nicht allein an individuellen Entscheidungen, sondern ebenso an den Rahmenbedingungen. Politische Akteurinnen und Akteure hätten die Aufgabe, Klimaschutz und Klimawandelanpassung attraktiv und sozial gerecht zu gestalten.
Da die Gesellschaft kurzfristig langfristige Folgen ignoriere, stünde im Alltag häufig unmittelbare die Bedürfnisbefriedigung im Vordergrund. Damit würde verdrängt, dass unser Lebensstandard für alle Menschen langfristig stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden werde.
Ernährung und Reisen
Neben politischem Engagement, Wahlverhalten oder der Nutzung sozialer Netzwerke stellen ihrer Erfahrung nach vor allem Ernährung und Reiseverhalten die größten individuellen Hebel für Klimaschutz dar. Der theoretisch "streng rationale" Mensch würde stets versuchen, den Nutzen zu maximieren und die Kosten zu minimieren.
Eine Studie, in der Menschen zu ihrem Verhalten im Alltag wiederholt befragt worden seien, zeigte, dass umweltbewusste Personen in ihrem Verhalten eher einen persönlichen Nutzen sehen, während andere dieselben Handlungen als vergleichsweise kostspielig betrachten.
Das erschwere es, die gesellschaftliche Akzeptanz scheinbar objektiver Maßnahmen, wie etwa der CO₂-Steuer, zuverlässig zu prognostizieren. In Umfragen befürwortet weniger als die Hälfte der Teilnehmenden eine solche Steuer.
Emotionale Distanz
In ihrem Gastkommentar bestätigt Jana Kesenheimer, dass der Klimawandel auch aus medialer Perspektive ein Kommunikationsproblem habe. Für die Gesellschaft vollziehe er sich schleichend und nicht unmittelbar wahrgenommen. Der Nachrichtenwert steige vor allem bei unerwarteten plötzlichen Ereignissen , insbesondere, wenn sie mit einzelnen Personen in Verbindung stehen.
Klimanachrichten schockieren ihren Beobachtungen zufolge immer seltener. Der Mensch sei geübt darin, emotionale Distanz zu Bedrohungen aufzubauen, die unsichtbar, abstrakt und in zeitlicher Ferne liegen. Genau das machen den Klimaschutz und die Betrachtung der allgemein prognostizierten Folgen kommunikativ so schwierig.
Ihre Meinung dazu rechtfertigt sicher eine globale Betrachtung des Problems. Wir alle nehmen die Folgen des Klimawandels wie Starkregen in Südamerika oder auf den Philippinen als ein lokales Wetterereignis wahr, dass es „ja schon immer gab“.
Wenn solche Ereignisse näher kommen und deutlich häufiger auftreten, wie zum Beispiel in Italien oder Spanien, steigt zwar unsere Wahrnehmung. Dies hängt aber auch damit zusammen, dass wir mit diesen Ereignissen relativ rasch Einschränkungen für unseren Jahresurlaub befürchten und nicht die Bedeutung globaler Klimaveränderungen dahinter sehen.
Für Jana Kesenheimer stellt sich in ihrem Kommentar die Lösung der Fragen so dar, dass wir es schaffen müssen, die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu schließen.
Allerdings hinge das auch davon ab, ob Politik und Gesellschaft erreichen werden, den Schutz gegen die Veränderungen des Klimawandels als langfristigen Gewinn zu etablieren.