Klimaanlagen im Stillstand – Hitze legt Atomstrom lahm: Ein energiepolitisches Paradoxon
Frankreichs Atomkraftwerke müssen bei Extremtemperaturen vom Netz – ausgerechnet dann, wenn der Strom für Klimageräte am dringendsten gebraucht wird. Wie kommt es dazu?

Wenn draußen 40 Grad herrschen, sind Klimageräte für viele Menschen kein Luxus, sondern ein überlebenswichtiges Hilfsmittel.
Doch ausgerechnet in diesen Momenten bricht in Teilen Europas die Stromversorgung ein – nicht wegen mangelnder Technik, sondern aufgrund physikalischer und ökologischer Grenzen.
In Frankreich wurden in den letzten Tagen mehrere Atomkraftwerke heruntergefahren oder in ihrer Leistung gedrosselt – darunter auch das südwestlich gelegene Kraftwerk Golfech.
Der Grund:
- Die Flüsse, aus denen die Anlagen ihr Kühlwasser beziehen, sind durch die anhaltende Hitzewelle bereits stark aufgeheizt.
- Wird zusätzlich erwärmtes Kühlwasser in sie zurückgeleitet, drohen ökologische Schäden – bis hin zum Fischsterben.
Die Betreiber stehen dann vor einer Wahl: Weiter Strom produzieren und die Umwelt belasten – oder die Reaktoren drosseln und damit das Stromnetz schwächen.
Ein Fluss wird zur Grenze der Energiewende
Das Kernkraftwerk Golfech nutzt die Garonne zur Kühlung.
Bei Wassertemperaturen nahe der 28-Grad-Marke muss die Anlage heruntergefahren werden – so schreiben es Umweltauflagen vor. Ähnliche Situationen betreffen auch die AKWs Blayais an der Gironde und Bugey an der Rhône.
Doch warum ist Kühlung so entscheidend für den Betrieb eines Atomreaktor?
Atomreaktoren erzeugen enorme Hitze – im Kernreaktor steigen Temperaturen auf mehrere Hundert Grad. Damit diese Hitze kontrolliert abgeleitet werden kann, zirkuliert Wasser als Kühlmittel durch den Reaktor und nimmt die Wärme auf. Dieses erhitzte Wasser muss anschließend wieder abgekühlt werden – und genau dafür wird Flusswasser benötigt.
In sogenannten „Ein-Durchlauf-Systemen“ entnehmen die Kraftwerke das Wasser direkt aus dem Fluss, kühlen damit die Reaktoranlage und leiten es anschließend – leicht erwärmt – wieder zurück.
Wird eine gesetzlich definierte Höchsttemperatur überschritten, drohen Schäden für das Ökosystem.
Dann ist Schluss – die Reaktoren müssen gedrosselt oder ganz abgeschaltet werden.
Hitze treibt Nachfrage – aber reduziert das Angebot
Während also das Angebot an Atomstrom sinkt, explodiert zeitgleich die Stromnachfrage:Klimageräte, Ventilatoren und Kühlanlagen laufen in Haushalten, Büros und Krankenhäusern auf Hochtouren.
Das Resultat: Strompreise schnellen in die Höhe.
Stromanbieter meldeten in der Vergangenheit während Hitzewellen und Dunkelflauten bereits Preise von bis zu 75 Cent pro Kilowattstunde – etwa das Fünffache des Durchschnittspreises.
Paradox und Warnsignal zugleich
Dass Strom knapp wird, weil es zu heiß ist, um Strom zu erzeugen, wirkt auf den ersten Blick paradox.
Aber es zeigt, wie sensibel das europäische Energiesystem auf Wetterextreme reagiert – und wie abhängig es nach wie vor von natürlichen Ressourcen wie Flüssen ist.
In einem sich erwärmenden Klima wird Wasserverfügbarkeit zu einem immer kritischeren Faktor.
Alle Jahre wieder.
— Britta Haßelmann (@BriHasselmann) June 30, 2025
Es ist Sommer mit extremer Hitze
und die Atomkraftwerke in Frankreich müssen heruntergefahren werden.
Liebe CDU/CSU Fans der Kernenergie schon gelesen ?! https://t.co/SAxPALIl2u Frankreich fährt wegen extremer Hitze Kernkraftwerke herunter | ZEIT ONLINE
Lösungsansätze? Vielschichtig, aber dringend nötig
Müssen Kühltechnologien neu gedacht werden? Wie wetterfest ist unsere Stromversorgung wirklich? Und welche Rolle kann (oder soll) Atomkraft künftig noch spielen, wenn sie bei Extremwetterlagen zunehmend an ihre Betriebsgrenzen stößt?
Kurzfristig bleibt Verbrauchern nur, den Strom möglichst effizient einzusetzen – oder zeitweise auf Ventilatoren umzusteigen, wo es geht.
Langfristig jedoch wird der Umbau der Energieinfrastruktur an die sich verändernden klimatischen Bedingungen unausweichlich.
Klimaschutz bedeutet eben nicht nur weniger CO₂ – sondern auch: Stromversorgung trotz Hitzerekorden.