Wie haben Ökosysteme 60 Millionen Jahre Artenwandel überstanden – und warum droht heute ein Kipppunkt?
Seit Beginn an schafft es die Natur, stabile Ökosysteme auszubilden. Doch was geschieht, wenn große Lebewesen wie das Mammut aussterben? Forscher haben sich genau das gefragt und untersucht, wodurch natürliche Systeme widerstandsfähig bleiben.

Seit Millionen von Jahren bestimmen große Pflanzenfresser wie Elefanten, Nashörner und ihre ausgestorbenen Vorfahren die Landschaften unseres Planeten. Dabei übernehmen sie zentrale ökologische Funktionen: Sie gestalten Lebensräume, beeinflussen Vegetationsstrukturen und erhalten natürliche Kreisläufe aufrecht.
– Dr. Fernando Blanco, Erstautor der Studie und Gastwissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin
Doch was geschieht, wenn diese Schlüsselfiguren der Natur verschwinden? Eine neue Studie, die unter der Leitung der Universität Göteborg und in Zusammenarbeit mit verschiedenen deutschen und spanischen Forschungseinrichtungen entstanden ist, untersucht nun, wie Ökosysteme in den vergangenen 60 Millionen Jahren trotz massiver Artenverluste so widerstandsfähig bleiben konnten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Die Forschenden analysierten Fossildaten von über 3000 Arten großer Pflanzenfresser, darunter urzeitliche Riesen wie Mastodonten, Riesenhirsche oder frühe Nashornarten.
Zwei globale Neuordnungen
In den 60 Millionen Jahren gab es jedoch zwei Zeitpunkte, an denen die Belastungen für die Ökosysteme so gravierend wurden, sodass sich die Zusammensetzung global und grundlegend veränderte.
Der erste Wandel ereignete sich vor rund 21 Millionen Jahren. Die Schließung des Tethys-Meeres führte zur Bildung einer Landbrücke zwischen Afrika und Eurasien, was enorme ökologische Konsequenzen hatte. Dadurch konnten große Pflanzenfresser, etwa die Vorfahren moderner Elefanten, Schweine und Hirsche, neue Lebensräume besiedeln und bestehende Gleichgewichte verschieben.
Eine zweite tiefgreifende Veränderung setzte etwa zehn Millionen Jahre später ein. Eine globale Abkühlung sowie die großflächige Ausbreitung von Graslandschaften verdrängten Wälder und führten zum Aufstieg spezialisierter Grasfresser, während waldbewohnende Arten zurückgingen oder ausstarben.
Strukturen bleiben erhalten
Trotz dieser Umbrüche blieb ein zentrales Merkmal konstant: die ökologische Struktur der Lebensgemeinschaften. Auch das Aussterben vieler Großtiere in den letzten 129.000 Jahren, wie etwa Mammuts und riesige Nashornarten, veränderte nicht das grundlegende funktionelle Gerüst der Ökosysteme.
– Dr. Ignacio A. Lazagabaster vom spanischen CENIEH
Die ökologische Resilienz war dabei bemerkenswert. Selbst über klimatische Extreme wie Eiszeiten hinweg blieben die Systeme funktionsfähig. Dennoch warnt das Forschungsteam, die Stabilität nicht als selbstverständlich zu betrachten.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie enorm anpassungsfähig Ökosysteme sein können“, sagt Dr. Juan L. Cantalapiedra vom Museo Nacional de Ciencias Naturales in Madrid, Gastwissenschaftler in Berlin. Dennoch gäbe es Grenzen.
Die Studie erlaubt somit einen tieferen Einblick in die Geschichte unserer Ökosysteme, gleichzeitig appelliert sie an die Gegenwart: Denn nur wenn die funktionelle Vielfalt erhalten bleibt, können auch die Strukturen bestehen, die das Leben auf der Erde ermöglichen.
Quellenhinweis:
Blanco, F., Lazagabaster, I. A., Sanisidro, Ó., et al. (2025): Two major ecological shifts shaped 60 million years of ungulate faunal evolution. Nature Communications, 16, 4648.