Unsicherheiten bei der Vorhersage - Von Anfangswertproblemen und Szenarien

Die Meteorologie und Klimatologie wurde maßgeblich durch Modelle geprägt. Ihnen mögen zwar gewisse Unsicherheiten inne wohnen, doch sind sie nicht mehr wegzudenken. Und das ist auch gut so. Aber was ist überhaupt ein Modell und was meint man überhaupt mit Unsicherheiten? Von Anfangswertproblemen und Szenariounsicherheiten.

Klima Szenario Prognose
Bei Klimaprognosen spielen Szenarien eine wesentlichen Faktor bei der Unsicherheit.


Im vorherigen Teil hatten wir gestern Morgen gelernt, dass Modelle an und für sich schon Unsicherheiten in sich tragen, allein dadurch, dass sie nur Abbilder der Realität sind. Diese Modellunsicherheiten tragen einen Teil zur Gesamtunsicherheit von Modellen bei. Neben den Modellunsicherheiten gibt es noch zwei weitere Bereiche von Unsicherheiten: Anfangswertprobleme und Szenarien. Ersteres betrifft eher die Wettervorhersage, zweiteres (langfristige) Klimaprojektionen.

Aber fangen wir mit dem Anfangswertproblem bei der Wettervorhersage an. Bei der Wettervorhersage gibt es eine sehr große Unsicherheit: der Ausgangspunkt der Vorhersage. Da die Grundgleichungen ein nicht lineares Gleichungssystem sind, wird ein Fehler über die Zeit potenziert. Soll heißen: Das Modell kann noch so gut sein, wenn die Ausgangslage nicht passt, wird das Ergebnis nicht exakt sein. Die Atmosphäre ist nun mal ein chaotisches System, das nicht so leicht vorhersagbar ist. Je weiter man in die Zukunft simuliert, desto schwieriger und letztlich unmöglich wird es, den exakten(!) Zustand der Atmosphäre zu bestimmen.

Der Chaos-Theoretiker Edward Lorenz hatte dazu ein sehr einfaches Atmosphärenmodell (welches nicht mehr viel mit der eigentlich Atmosphäre gemein hat) entwickelt, das aber auf sehr einfache Weise das chaotische Wesen der Atmosphäre beschreiben kann. Fast identische Atmosphären, im Lorenzschen Modell zwei Punkte, die nur nahe beieinander liegen, aber nicht identisch sind, entwickeln sich über die Zeit völlig verschieden. Daraus entstand auch der Spruch über den Schmetterling, der einen Tornado auslösen kann (Anfangs war es noch eine Seemöwe, die das Wetter mit ihrem Flügelschlag verändern kann). Durch das vereinfachte Modell erkannte Lorenz die sensible Abhängigkeit von den Anfangswerten oder auch dem Chaos.

Lorenz Attraktor Chaos
Der Lorenz Attraktor ist wohl die Versinnbildlichung des chaotischen Zustands der Atmosphäre.

Viele Simulationen erhöhen die Sicherheit

Durch den Fakt, dass die Wettervorhersage so sensibel auf die Anfangswerte reagiert, ist einem auch sehr schnell klar, dass die exakte Vorhersage zeitlich ziemlich schnell begrenzt ist. Es ist nicht möglich, die Welt mit Messstationen zu überziehen. Und selbst wenn man das könnte, würde immer noch die vertikale Ausdehnung der Atmosphäre fehlen. Auch durch Satellitendaten ist es nicht möglich dies abzudecken, da diese selbst eine gewisse Unsicherheit in ihrer Korrektheit haben. Es ist schlicht unmöglich den exakten Zustand der Atmosphäre zu bestimmen und damit weicht jeder Startpunkt einer Vorhersage schon vom Realzustand der Atmosphäre ab.

Aufgrund der Erfahrungen von Lorenz und der Endlichkeit der Werte, die in den Anfangszustand eines Wettermodells fließen, muss man sich klar werden, dass eine exakte Wettervorhersage für die nächsten zwei Wochen utopisch ist. Aber gleichzeitig ist es möglich, Unsicherheiten zu bestimmen. Die Lösung lautet Ensemble.

In einem Ensemble werden mehrere Simulationen durchgeführt, wobei z.B. die Anfangswerte leicht variieren (wir erinnern uns an Lorenz). Es ist nun bekannt, dass ein etwas anderes Ergebnis berechnet wird. Über die Zeit werden die einzelnen Ensemble-Mitglieder immer weiter voneinander abweichen. Aber innerhalb der Gesamtheit des Ensembles werden sich gewisse Ergebnisse oder sehr ähnliche Ergebnisse häufen. Damit kann über einen Zeitraum von z.B. einer Woche die Aussage getroffen werden: Dieses Ereignis wird sehr wahrscheinlich oder sehr unwahrscheinlich eintreten. Aber aufgrund des chaotischen Charakters, kann eben auch ein sehr unwahrscheinliches Ereignis eintreten.

Unsicherheiten bei Klimaprognosen

Manche zitieren den IPCC-Bericht mutwillig falsch, wenn es um Klimaprognosen geht. Zwar wird dort korrekterweise geschrieben, dass ein Klimazustand aufgrund des chaotischen Charakters nicht vorhergesagt werden kann, aber darauf folgt ein wichtiger Zusatz, der oft weggelassen wird. Es ist möglich, durch Ensembles einen sehr wahrscheinlichen Zustand des zukünftigen Klimas zu prognostizieren! Wissenschaftler wollen also alles andere als herausfinden, ob es in Bozeman Montana am 05. April 2063 regnet oder wolkenlos ist. Es geht um die Beschreibung, welche klimatischen Bedingungen am wahrscheinlichsten sind.

Neben den Unsicherheiten durch Anfangswertprobleme, spielen bei Klimamodellen Unsicherheiten durch die Emissionsszenarien eine viel größere Rolle. Anfangswerte sind nur für eine nähere Zukunft bedeutend, verlieren aber über die Zeit an Einfluss. Ab ca. 30 bis 40 Jahren spielt die Unsicherheit durch die Szenarien die größte Rolle. Das hängt ebenfalls damit zusammen, dass auch die Emissionen nur über Modelle bestimmt werden und Prognosen getroffen werden. So kann man beispielsweise nur bis zu einem gewissen Grad sagen, wie viel Energie tatsächlich in der Zukunft gebraucht und wie diese erzeugt wird.

Durch die verschiedenen Szenarien (z.B. die RCPs oder die neueren SSPs) wird allerdings ein Korridor aufgespannt, innerhalb dessen sich die mögliche Zukunft abspielen wird. Daher können durchaus Prognosen erstellt werden, die einen Anhaltspunkt darüber geben, welcher Klimazustand am wahrscheinlichsten ist, wenn die Menschheit sich auf dem Pfad eines gewissen Emissionsszenarios bewegt. Wir wissen also gut genug, worauf wir hinsteuern.

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