Mildere Winter verschieben Lebensräume: Fledermäuse wie der Große Abendsegler ziehen nach Nordosten

Auch die europäische Tierwelt passt sich zunehmend den steigenden Temperaturen im Winter an. Eine bestimmte Fledermausart etwa wird in den kommenden Jahren immer weiter gen Norden ziehen.

Großer Abendsegler (Nyctalus noctula)
Der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) ist in Europa weit verbreitet. Bild: Leibniz-IZW/Dmytro Zubkov

Mit dem Klimawandel verändern sich auch die Lebensräume vieler Tierarten. Besonders deutlich zeigt sich das bei einer in Europa weit verbreiteten Fledermausart, dem Großen Abendsegler.

Der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) ist eine in Europa verbreitete Fledermausart. Er zählt zu den größten heimischen Arten, lebt in Baumhöhlen, jagt in der Dämmerung Insekten und ist ein Zugtier.

Forschende des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) konnten in einer aktuellen Studie nachweisen, dass sich die Überwinterungsgebiete der Fledermäuse in den letzten Jahrzehnten deutlich verschoben haben – und sich auch künftig noch stärker ausdehnen könnten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Ecology Letters veröffentlicht.

Bereits heute lassen sich die Folgen der milderen Winter in Europa klar erkennen. Die Winter werden kürzer, die Temperaturen steigen, und damit verändern sich auch die Bedingungen für den Winterschlaf von Wildtieren. Der Große Abendsegler etwa nutzt den Winterschlaf, um Energie zu sparen, wenn Nahrung knapp ist. Doch ob und wo dieser Schlaf gelingt, hängt stark von der Umgebungstemperatur ab.

„Winterschläfer werden in biophysikalischen Modellen oft übersehen, weil sie während des Winterschlafs zwischen zwei physiologischen Zuständen wechseln, was die Modellierung erschwert.“
– Dr. Shannon Currie, Seniorautorin der Studie, Universität Melbourne

Zunächst führten die Forschenden um Erstautorin Dr. Kseniia Kravchenko, Postdoktorandin an der Universität Luxemburg, zwei Experimente durch. Dabei untersuchten sie, wie lange die circa 30 Gramm schweren Fledermäuse bei unterschiedlichen Temperaturen im Zustand stark reduzierten Stoffwechsels verbleiben, dem sogenannten Torpor. Die Hauttemperatur der Tiere diente dabei als Messgröße.

Großer Abendsegler (Nyctalus noctula)
Der Lebensraum des Großen Abendseglers könnte sich innerhalb von 200 Jahren bis zu 990 Kilometer nach Norden verschieben. Bild: Leibniz-IZW/Dmytro Zubkov

Ein zweites Experiment maß den CO₂-Ausstoß der Tiere bei verschiedenen Temperaturen – ein direkter Indikator für den Energieverbrauch. Die Ergebnisse der Laborversuche wurden mit Klimaprognosen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung kombiniert.

Das entwickelte Modell berechnet das Energiebudget für über 12.000 Orte in Europa, sowohl auf Basis historischer Daten (1901–2019) als auch für zukünftige Klimaszenarien (bis 2100).

„Unsere Berechnungen für aktuelle Temperaturdaten ergaben ein Überwinterungsgebiet, das der tatsächlichen räumlichen Verteilung dieser Gebiete sehr nahekommt“, sagt Dr. Alexandre Courtiol, Modellierungsexperte am Leibniz-IZW. „Das war beruhigend, denn unsere Modellierung erwies sich damit als sehr exakt.“

Weitere Nordverschiebung erwartet

Tatsächlich zeigt das Modell, dass sich das Überwinterungsgebiet zwischen 1901 und 2018 bereits um rund 6,3 Prozent vergrößert hat, vor allem in Richtung Nordosten. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts beträgt die Verschiebung nach Norden rund 260 Kilometer.

Je nach Szenario könnten sich die Überwinterungsgebiete der Großen Abendsegler bis zum Jahr 2100 sogar um weitere 5,8 bis 14,2 Prozent ausweiten. Im extremsten Klimaszenario mit stark steigenden Emissionen wird eine Nordverschiebung von fast 990 Kilometern innerhalb von 200 Jahren prognostiziert.

Die derzeitige Ausbreitung nach Nordosten werde sich durchschnittlich um etwa 80 Kilometer fortsetzen, schätzen die Forschenden. Große Abendsegler können sich rasch an neue Bedingungen anpassen. So zeigten etwa frühere Studien, dass sie ihr Verbreitungsgebiet innerhalb weniger Jahrzehnte um mehrere hundert Kilometer verlagern können.

Diese Flexibilität bringt aber auch Risiken mit sich. In neu erschlossenen Regionen könnten geeignete Bedingungen für den Winterschlaf fehlen, wie etwa passende Quartiere oder ausreichend Nahrung im Herbst. Die Temperatur allein reicht also nicht aus, um das Überleben sicherzustellen.

„Das bedeutet, dass wir möglicherweise die geeigneten Winterschlafgebiete anderer Arten anhand der gleichen Parameter kartieren könnten. – Wir dürfen nicht vergessen, dass die Umweltfaktoren für erfolgreichen Winterschlaf und letztlich das Überleben von Arten vielfältiger und komplexer sind als nur die Umgebungstemperatur.“
– Prof. Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW

Die Forschung zeigt, wie eng Klimaveränderungen und Tierverhalten verknüpft sind. Damit Schutzmaßnahmen rechtzeitig angepasst werden können, ist es umso wichtiger, ökophysiologische Prozesse besser zu verstehen.

Quellenhinweis:

Kravchenko, K., Voigt, C. C., Volkholz, J., Courtiol, A., & Currie, S. E. (2025): Shorter and warmer winters expand the hibernation area of bats in Europe. Ecology Letters 28/5, e70119.