Globaler Gletscherverlust: Studie belegt unumkehrbare Eisschmelze um bis zu 75 Prozent

Forscher haben die Daten von 200.000 Gletschern ausgewertet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass, selbst wenn sich die Erde nur um 2,7 Grad Celsius erwärmen würde, nur ein Viertel der aktuellen Gletschermasse erhalten bliebe.

Gletscher am Caullaraju in Peru.
Gletscher am Caullaraju in Peru. Bild: Universität Bremen/Ben Marzeion

Eine neue internationale Studie offenbart alarmierende Aussichten der Gletscher weltweit. Selbst wenn die globale Durchschnittstemperatur auf dem heutigen Niveau von etwa 1,2 Grad Celsius stabil bliebe, würden 39 Prozent der Gletschermasse unwiederbringlich verloren gehen.

Der Gletscherverlust gilt als Klimawandelindikator, weil Gletscher sensibel auf Temperaturveränderungen reagieren. Ein Rückgang zeigt deutlich langfristige Erwärmungstrends und macht Klimaveränderungen weltweit sichtbar und messbar.

Die Untersuchung, an der 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 20 wissenschaftlichen Einrichtungen aus zehn Ländern beteiligt waren, verdeutlicht das enorme Ausmaß der bereits in Gang gesetzten Gletscherschmelze. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Science veröffentlicht.

Szenarien belegen unwiderruflichen Gletscherschwund

Die Forschenden nutzten acht verschiedene Gletschermodelle, um den langfristigen Eisverlust von mehr als 200.000 Gletschern außerhalb der Antarktis und Grönlands zu berechnen. Für ihre Szenarien nahmen sie an, dass die jeweils betrachteten Temperaturen über Tausende von Jahren konstant bleiben.

Die Ergebnisse zeigen, dass selbst ohne weitere Erwärmung der Gletscherrückgang über Jahrhunderte hinweg anhalten wird.

Besonders dramatisch fällt der Vergleich der unterschiedlichen Erwärmungsszenarien aus. Sollte sich die Erde um 2,7 Grad Celsius erwärmen – ein realistisches Ergebnis bei Fortsetzung der aktuellen Klimapolitik – bliebe nur ein Viertel der heutigen Gletschermasse erhalten. Dagegen könnten bei Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens immerhin gut 50 Prozent bewahrt werden.

Feldarbeiten zur Messung der Massenbilanz auf dem Gletscher Shallap in Peru.
Feldarbeiten zur Messung der Massenbilanz auf dem Gletscher Shallap in Peru. Bild: Universität Bremen/Ben Marzeion

Die Auswirkungen des Gletscherschwunds sind vielfältig. Abgesehen vom Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels – rund zehn Zentimeter allein durch die bereits unvermeidbare Schmelze –, bedroht der Rückgang auch die regionale Wasserversorgung, den Katastrophenschutz sowie den alpinen Tourismus. In vielen Teilen der Welt ist das schon heute erkennbar.

„Die Ergebnisse unterstreichen, dass die aktuelle Klimapolitik eine entscheidende Rolle dabei spielt, wie sich die Gletscher künftig entwickeln werden – nicht nur in den nächsten Jahrzehnten, sondern auch in mehreren hundert Jahren noch.“
– Professor Ben Marzeion vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

Der Gletscherschwund verläuft jedoch nicht linear: Die Eisverluste erfolgen zunächst über Jahrzehnte hinweg rasch, bevor sich das Abschmelzen über Jahrhunderte verlangsamt. Auch ohne zusätzliche Erwärmung würde eine Anpassung der Gletscher an die neuen klimatischen Bedingungen ewig dauern.

Verlorene Gletschermasse bei verschiedenen globalen Erwärmungsgraden gegenüber dem vorindustriellen Niveau.
Verlorene Gletschermasse bei verschiedenen globalen Erwärmungsgraden gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Bild: Zekollari et al. 2025

„Gletscher sind gute Indikatoren für den Klimawandel, denn durch ihren Rückzug können wir mit eigenen Augen sehen, wie sich das Klima verändert“, erläutert Dr. Lilian Schuster von der Universität Innsbruck, Mitautorin der Studie. „Da sie sich jedoch über längere Zeiträume anpassen, zeigt ihre derzeitige Größe bei weitem nicht das Ausmaß des bereits eingetretenen Klimawandels.“ Die Situation der Gletscher sei in Wirklichkeit viel schlechter, als heute in den Bergen sichtbar ist, so Schuster.

„Unsere Studie macht schmerzlich deutlich, dass jeder Bruchteil eines Grades zählt. – Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden sich Jahrhunderte nachwirken und bestimmen, wie viel von unseren Gletschern erhalten werden kann.“

– Dr. Harry Zekollari von der Vrije Universiteit Brüssel, Co-Autor der Studie

Die Studie ist ein Beitrag zum Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher 2025 der Vereinten Nationen und zeigt, wie wichtig entschlossene internationale Klimaschutzmaßnahmen sind. Neben den Prognosen appellieren die Forscher auch an Politik und Gesellschaft, den noch verbleibenden Handlungsspielraum vernünftig zu nutzen.

Quellenhinweis:

Zekollari, H., Schuster, L., Maussion, F., Hock, R., Marzeion, B., Rounce, D. R., Compagno, L., Fujita, K., Huss, M., James, M., Kraaijenbrink, P. D. A., Lipscomb, W. H., Minallah, S., Oberrauch, M., Van Tricht, L., Champollion, N., Edwards, T., Farinotti, D., Immerzeel, W., Leguy, G., & Sakai, A. (2025): Glacier preservation doubled by limiting warming to 1.5°C versus 2.7°C. Science.