Feinstaub: Gefahr durch Schadstoffe bislang unterschätzt – Wissenschaftler decken verheerenden Irrtum auf
Seit Jahren ist bekannt, dass Feinstaub eine ernsthafte Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellt. Forscher der Universität Basel haben nun festgestellt, dass der Anteil schädlicher Substanzen in Feinstaubpartikeln deutlich höher ist als bisher angenommen.

Feinstaub gilt seit Langem als gesundheitsschädlich. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass es Feinstaub deutlich mehr schädliche Substanzen enthält als man bisher gedacht hat.
Grund für diese schädliche Wirkung sind hochreaktive Sauerstoffverbindungen, die für gesundheitliche Schäden mitverantwortlich sind und sich innerhalb weniger Stunden verflüchtigen. Einer neuen Studie der Universität Basel zufolge haben die bislang verwendeten Messmethoden deren wahre Konzentration stark unterschätzt. Die Studienergebnisse wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Erhöhtes Risiko für zahlreiche Krankheiten
Feinstaub wird mit schwerwiegenden Erkrankungen in Verbindung gebracht, wie chronischen Atemwegsleiden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit jährlich mehr als sechs Millionen Todesfälle auf eine erhöhte Feinstaubbelastung zurückzuführen.
Sauerstoffradikale, auch als Reactive Oxygen Species (ROS) bekannt, können in den Atemwegen mit Biomolekülen auf und in den Zellen reagieren. Dieser Oxidationsprozess kann zu Zellschäden führen und Entzündungsreaktionen auslösen, die den gesamten Organismus beeinflussen.

Bisherige Messverfahren für Feinstaub haben die Konzentration dieser reaktiven Verbindungen nicht korrekt erfasst. Die Partikel wurden auf Filtern gesammelt und erst Tage bis Wochen später analysiert.
Prof. Dr. Markus Kalberer, Atmosphärenwissenschaftler an der Universität Basel, Studienleiter
Um die Fehleinschätzung zu korrigieren, hat das Forschungsteam eine Methode entwickelt, mit der Feinstaub in Echtzeit analysiert werden kann. Dabei werden die Partikel direkt aus der Luft in eine Flüssigkeit geleitet, wo sie mit speziellen Chemikalien reagieren. Diese Reaktion erzeugt ein Fluoreszenzsignal, das die Konzentration der reaktiven Sauerstoffverbindungen exakt misst.
Deutlich höhere Konzentration reaktiver Substanzen
Die neuen Messungen ergaben, dass zwischen 60 und 99 Prozent der Sauerstoffradikale innerhalb weniger Minuten bis Stunden verschwinden. Das bedeutet, dass bisherige Analysen die wahre Belastung massiv unterschätzt haben. „Weil der Messfehler bei der verzögerten Analyse nicht konstant ist, lässt er sich nicht einfach herausrechnen“, so Kalberer. Der tatsächliche Anteil gesundheitsschädlicher Substanzen in Feinstaub ist also weit höher als bisher angenommen.
Weitere Laboruntersuchungen mit Lungenepithelzellen zeigen, dass die kurzlebigen, hochreaktiven Bestandteile des Feinstaubs andere und stärkere Entzündungsreaktionen auslösen als die stabileren Partikel, die in früheren Studien untersucht wurden. Diese Erkenntnisse könnten erklären, warum die gesundheitlichen Auswirkungen von Feinstaub oft schwerwiegender sind, als es die bisherigen Messwerte nahelegen.
Die Forschenden planen, ihr Messgerät weiterzuentwickeln, um die Zusammensetzung und Wirkung von Feinstaub besser untersuchen zu können. „Wenn wir den Anteil hochreaktiver, schädlicher Komponenten genauer und zuverlässiger messen, lassen sich auch bessere Schutzmaßnahmen ergreifen“, schließt Kalberer.
Quellenhinweis:
Steven J. Campbell et al. (2025): Short-lived reactive components substantially contribute to particulate matter oxidative potential. Science Advances, 11, eadp8100.