Die meisten Geheimnisse behält die sagenumwobene Osterinsel für sich - einige aber sind jetzt geklärt

Die gewaltigen Moai und die abgeschiedene Lage 3800 Kilometer westlich von Chile im Südpazifik machen Rapa Nui seit jeher zum Faszinosum. Von einer These über die rätselhafte Insel hat sich die Wissenschaft nun verabschiedet.

Osterinsel
Unendlich faszinierend sind die Moai auf Rapa Nui - auch, weil sie noch immer Rätsel aufgeben.

Weil Europäer hier am Ostersonntag des Jahres 1722 erstmals vor Anker gingen, ist Rapa Nui auch als Osterinsel bekannt. Die genauen Umstände ihrer Besiedelung sind bis heute nicht geklärt. Nicht nur die Frage, von welchen Südsee-Inseln – den Marquesas, den Gambier-Inseln oder vom 2000 Kilometer entfernten Pitcairn? - die Bewohner das 4000 Kilometer von Tahiti gelegene Eiland erreichten, bleibt unbeantwortet. Auch was sie zur Überfahrt bewog und wie es nach ihrer Ankunft weiterging, weiß man nicht.

Kontakte zur indigenen Bevölkerung Amerikas

Eine Hypothese aber gilt nun als bestätigt: Die Bewohner Rapa Nuis hatten Kontakt zu den Ureinwohnern Südamerikas. Der norwegische Wissenschaftler vertrat diese Auffassung bereits vor Jahrzehnten. Eine neue Untersuchung hat jetzt gezeigt, dass es tatsächlich bereits in präkolumbischer Zeit zu Begegnungen zwischen den Völkern kam. Der Wissenschaftler Victor Moreno-Mayar von der Universität Kopenhagen hat mit seinem Team Erbgut von Inselbewohnern analysiert, die zwischen 1670 und 1950 verstarben. Ergebnis: Ein Teil des Erbguts der Bewohner Rapa Nuis stammt aus Südamerika.

Weltberühmt ist der Ahnenkult der Bewohner Rapa Nuis, der sich in immer gewaltigeren Statuen manifestierte. Bis zum 17. Jahrhundert entstanden 300 Plattformen für rund 900 Moais. Allerdings erreichten nur ein Drittel der Figuren die Plattformen. Knapp 400 liegen in unterschiedlichen Stadien der Vollendung im Steinbruch Rano Raraku, die übrigen auf dem Weg zu ihrem Bestimmungsort – wurden sie umgeworfen oder urplötzlich stehen- und liegengelassen? Niemand weiß es.

Kein Ökozid der Insulaner

Die lange Zeit populäre Legende von einem Ökozid der Insulaner konnten die Wissenschaftler der Universität Kopenhagen widerlegen. Lange war man davon ausgegangen, die Menschen hätten für Bau und Transport der Statuen die Insel entwaldet und ihre Ressourcen so erschöpft, dass sich eine zu groß gewordene Bevölkerung nicht mehr ernähren konnte.

Tatsächlich ermöglichten ihre ausgeklügelten Bewässerungstechniken erfolgreiche Landwirtschaft, und die Bevölkerungszahl blieb bis zur Ankunft der Europäer konstant. Die aufwändige Tätigkeit der Steinmetze legt zudem nahe, dass die Insulaner arbeitsteilig lebten und die wichtigen Handwerker von der Arbeit auf den Feldern freigestellt waren.

Die Dezimierung der Bevölkerung begann erst nach der Ankunft von Seefahrern aus Europa und Südamerika. Eingeschleppte Krankheiten und Überfälle von Sklavenhändlern bedingten den Rückgang der Bevölkerung und schließlich auch den Niedergang ihrer Kultur.

Pilgerstätten für Urlauber und Archäologen

Womöglich während eines Kriegs wurden die Statuen umgestürzt. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann man, sie wieder aufzurichten. Zu jener Zeit war die Osterinsel touristisches Niemandsland, allenfalls der eine oder andere Archäologe erforschte die Insel, die ihre Geheimnisse entschlossen für sich behielt. 1995 erklärte die UNESCO Rapa Nui zum Welterbe der Menschheit. Heute sind die Plattformen Pilgerstätten für Reisende. Der Faszination der Maoi und ihrer Gesichter, die fast alle von der Küste weggewandt ins Landesinnere blicken, kann sich niemand entziehen.

Quellenhinweis:

www.nature.com/articles/s41586-024-07881-4