Besonderes Wüstenmineral: Das smaragdgrüne Atacamit kühlt sich ab, wenn es mit Magneten in Kontakt kommt

Ein grünes Mineral aus der Atacama-Wüste hat jüngst für Aufsehen gesorgt: Bei Untersuchungen haben Wissenschaftler festgestellt, dass sich Atacamit bei Berührung mit einem Magnetfeld ungewöhnlich stark abkühlt. Die Experten sehen darin vielversprechende Ansätze für umweltfreundliche, energieeffiziente Kühltechnologien der Zukunft.

Grüner bis schwarzgrüner Kristallrasen aus Atacamit auf Matrix aus der Sammlung von Ra'ike (Größe: 3,8×3,5×1,6 cm).
Grüner bis schwarzgrüner Kristallrasen aus Atacamit auf Matrix aus der Sammlung von Ra'ike (Größe: 3,8×3,5×1,6 cm). Bild: Raimond Spekking/CC BY-SA 4.0/Wikimedia Commons

Wissenschaftler haben ein smaragdgrünes Mineral untersucht, das durch eine besondere physikalische Eigenschaft hervorsticht: Atacamit zeigt bei sehr tiefen Temperaturen ein sogenanntes magnetokalorisches Verhalten, das heißt, es kann sich durch Anlegen eines Magnetfeldes stark abkühlen – bei herkömmlichen Materialien kommt der Effekt kaum in solcher Intensität vor.

Atacamit wurde nach seinem Fundort in der chilenischen Atacama-Wüste benannt.

Erforscht wurde das Mineral von einem internationalen Forschungsteam unter Federführung der Technischen Universität Braunschweig und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Die Forschenden hoffen, dass die Erkenntnisse langfristig dabei helfen, energieeffiziente Kühltechnologien zu entwickeln, etwa als Alternative zur heute üblichen gasbasierten Kühlung.

Was ist magnetische Frustration?

Die außergewöhnlichen magnetischen Eigenschaften des Atacamits beruhen auf Kupferionen im Kristallgitter. Diese Ionen besitzen ein ungepaartes Elektron, das ein magnetisches Moment erzeugt, vergleichbar mit winzigen Kompassnadeln. Doch entscheidend ist die besondere Geometrie im Kristallaufbau.

„Das Besondere an Atacamit ist die Anordnung der Kupferionen. Sie bilden lange Ketten aus kleinen, miteinander verbundenen Dreiecken, die man als Sägezahnketten bezeichnet.“

– Dr. Leonie Heinze vom Jülich Centre for Neutron Science (JCNS)

Die Spins, also die Ausrichtungen der magnetischen Momente, können sich innerhalb dieser Struktur nicht vollständig ausrichten, erklärt Dr. Leonie Heinze vom Jülich Centre for Neutron Science (JCNS). „Man spricht in diesem Fall von magnetischer Frustration.“

Die magnetische Frustration sorgt dafür, dass sich eine stabile magnetische Ordnung im Material erst bei extrem tiefen Temperaturen, unter 9 Kelvin (−264 °C), einstellt. Genau in diesem Temperaturbereich hat das Forschungsteam das Mineral im Hochfeld-Magnetlabor des HZDR untersucht – und kam zu einem überraschenden Ergebnis.

Künstlerische Darstellung der magnetischen Sägezahnstruktur des Atacamits: Die magnetischen Momente (grün) der Cu-Ionen (weiß und blau) könne sich aufgrund der dreieckigen Anordnung nicht vollständig antiparallel zueinander ausrichten.
Künstlerische Darstellung der magnetischen Sägezahnstruktur des Atacamits: Die magnetischen Momente (grün) der Cu-Ionen (weiß und blau) könne sich aufgrund der dreieckigen Anordnung nicht vollständig antiparallel zueinander ausrichten. Bild: B. Schröder/HZDR

In den gepulsten Magnetfeldern des Labors zeigte Atacamit eine drastische Temperaturabsenkung, bis auf nahezu die Hälfte des Ausgangswerts. Diese starke Reaktion ist bislang kaum dokumentiert, weswegen sie das Material besonders interessant für Anwendungen macht, bei denen umweltfreundlich und effizient gekühlt werden soll.

Doch warum reagiert Atacamit so extrem? Um das zu klären, führten die Forschenden weitere Experimente am European Magnetic Field Laboratory durch, unter anderem mithilfe der Kernspinresonanzspektroskopie.

Mittels Kernspinresonanzspektroskopie konnten wir eindeutig zeigen, dass ein angelegtes Magnetfeld die magnetische Ordnung in Atacamit durcheinanderbringt.

„Das ist ungewöhnlich, da Magnetfelder in vielen magnetisch frustrierten Materialien üblicherweise der Frustration entgegenwirken und geordnete magnetische Zustände sogar fördern“, sagt Dr. Tommy Kotte vom Hochfeld-Magnetlabor.

Der magnetokalorische Effekt kommt durch die Kupferionen zustande, die sich in Anwesenheit eines Magnetfelds nicht stabil (antiparallel) anordnen können. Das Material ändert seine Temperatur.
Der magnetokalorische Effekt kommt durch die Kupferionen zustande, die sich in Anwesenheit eines Magnetfelds nicht stabil (antiparallel) anordnen können. Das Material ändert seine Temperatur. Bild: Raimond Spekking/CC BY-SA 4.0/Wikimedia Commons

Numerische Simulationen halfen schließlich, den Mechanismus hinter dem Phänomen zu verstehen: Zwar verringert das Magnetfeld die Frustration lokal, gleichzeitig bricht aber die schwache Kopplung zwischen den Ketten weg. Das verhindert eine übergreifende magnetische Ordnung. Der beobachtete magnetokalorische Effekt ist also Ausdruck einer plötzlichen Änderung der magnetischen Entropie – die das Material durch Temperaturänderung ausgleicht.

„Natürlich erwarten wir nicht, dass Atacamit künftig in großem Stil abgebaut wird, um damit neue Kühlsysteme zu bauen. Aber der von uns untersuchte physikalische Mechanismus ist grundlegend neu, und der beobachtete magnetokalorische Effekt fällt überraschend stark aus.“

– Dr. Tommy Kotte vom Hochfeld-Magnetlabor

Die Entdeckung liefert erste Ideen für die gezielte Suche nach ähnlichen Materialien, die künftig in der Kühltechnik eingesetzt werden könnten.

Quellenhinweis:

L. Heinze, T. Kotte, R. Rausch, A. Demuer, S. Luther, R. Feyerherm, E. L. Q. N. Ammerlaan, U. Zeitler, D. I. Gorbunov, M. Uhlarz, K. C. Rule, A. U. B. Wolter, H. Kühne, J. Wosnitza, C. Karrasch & S. Süllow (2025): Atacamite Cu₂Cl(OH)₃ in High Magnetic Fields: Quantum Criticality and Dimensional Reduction of a Sawtooth-Chain Compound. Physical Review Letters.