Unterschiedliche Arten Schwarzer Löcher stellen Einstein infrage – Forscher testen alternative Gravitationstheorien
Aufnahmen von Schwarzen Löchern könnten künftig fundamentale Fragen der Physik beantworten. Etwa, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie tatsächlich in allen Bereichen des Universums gilt. Ein internationales Forschungsteam hat nun eine Methode entwickelt, die genau das prüfen soll.

Wie würden Schwarze Löcher aussehen, wenn sie nicht der Relativitätstheorie Albert Einsteins folgen, sondern anderen – teils exotischen – Gravitationsmodellen? Das haben Wissenschaftler nun mit aufwendigen Computersimulationen untersucht.
Aus den Berechnungen leitete das Team unter Leitung von Prof. Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt messbare Kriterien ab, die mit künftigen, schärferen Teleskopen überprüft werden sollen. Es soll getestet werden, ob die beobachteten Schattenbilder Schwarzer Löcher tatsächlich den Vorhersagen Einsteins entsprechen – oder ob sie auf eine alternative Physik hindeuten.
Schatten des Unsichtbaren
Schwarze Löcher sind Objekte mit einer so gewaltigen Gravitation, dass nichts, nicht einmal Licht, ihnen entkommen kann. Das macht sie im wörtlichen Sinne unsichtbar. Die bahnbrechenden Aufnahmen der Event-Horizon-Telescope-(EHT)-Kollaboration – etwa vom Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie M87 und unserer Milchstraße – zeigten daher etwas Besonderes: „Was man dort sieht, ist allerdings nicht das Schwarze Loch selbst, sondern die heiße Materie in seiner direkten Umgebung“, erklärt Prof. Luciano Rezzolla.
Auf den Bildern erscheint der Bereich jenseits des Erfahrungshorizonts als dunkler Schatten – sozusagen eine Projektion. Genau damit können am Ende grundlegende Theorien zur Gravitation überprüft werden.
Einstein – oder doch etwas anderes?
Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt Raum und Zeit als ein elastisches Gefüge, das durch Masse und Energie gekrümmt wird. Sie sagt Schwarze Löcher mit klar definierten Eigenschaften voraus. Doch es existieren auch alternative Theorien, die ähnliche, aber leicht abweichende Phänomene voraussagen. Einige davon setzen Materieformen voraus, die bisher unbekannt sind; andere brechen sogar mit etablierten physikalischen Prinzipien.
Um die Annahmen zu prüfen, hat Rezzolla gemeinsam mit Kollegen des Tsung-Dao Lee Instituts in Shanghai ein Vorgehen entwickelt, bei dem die Vorhersageunterschiede zwischen der Relativitätstheorie und anderen Modellen systematisch erfasst werden. Die Arbeit wurde im Fachjournal Nature Astronomy veröffentlicht.
„Dazu benötigt man zweierlei“, erläutert Rezzolla. „Einerseits hochaufgelöste Schattenbilder der Schwarzen Löcher, um daraus ihren Radius möglichst gut bestimmen zu können, und andererseits eine theoretische Beschreibung, wie stark die verschiedenen Ansätze von der Einstein’schen Relativitätstheorie abweichen.“
Virtuelle Schwarze Löcher im Computerlabor
Das Team führte dreidimensionale Simulationen durch, die das Verhalten von Materie und Magnetfeldern in der Nähe Schwarzer Löcher nachahmen. Daraus erzeugten sie synthetische Bilder, die zeigen sollten, wie die beobachteten Schatten beeinflusst werden.
– Akhil Uniyal, Tsung-Dao Lee Institut, Shanghai, Erstautor
Die Forschenden konnten daraus Bewertungskriterien für künftige Beobachtungen ableiten. Zwar sind die Unterschiede mit der heutigen Auflösung des EHT noch winzig, doch mit den kommenden Instrumenten wird sich ihre Messbarkeit verbessern. „Einer der wichtigsten Beiträge, den die EHT-Kollaboration zur Astrophysik geleistet hat, ist die Verwandlung von Schwarzen Löchern in testbare Objekte“, erklärt Rezzolla.
Ein Teleskop von der Größe der Erde
Das Event Horizon Telescope ist ein globales Netzwerk aus Radioteleskopen, das gemeinsam die Auflösung eines erdgroßen Instruments erreicht. Damit ist erstmals ein direkter Blick in die unmittelbare Umgebung Schwarzer Löcher gelungen. In Zukunft sollen zusätzliche Observatorien, auch im Weltraum, die Genauigkeit noch erhöhen.
Die erhoffte Auflösung liegt bei unter einer millionstel Bogensekunde – vergleichbar mit dem Versuch, von der Erde aus eine Münze auf dem Mond zu erkennen. Erst dann könnten die feinen Unterschiede zwischen Einsteins Relativitätstheorie und alternativen Modellen sichtbar werden.
Bis jetzt stützen alle Beobachtungen Einsteins Theorie. Doch die Messunsicherheiten lassen Raum für Überraschungen. „Und auch die etablierte Theorie muss man immer wieder testen, gerade an extremen Objekten wie Schwarzen Löchern“, sagt Rezzolla. Sollte sich irgendwann zeigen, dass Einstein nicht in allen Fällen recht hat, wäre das eine wissenschaftliche Sensation – und der Beginn einer neuen Ära in der Physik.
Quellenhinweis:
Uniyal, A., Dihingia, I. K., Mizuno, Y., & Rezzolla, L. (2025): The future ability to test theories of gravity with black-hole shadows. Nature Astronomy.