Mondbeben: Warum sie die Artemismission gefährden – und was sie für neue Mondbasen bedeuten

Auch die Mondoberfläche verändert sich mit der Zeit. Forscher konnten nun nachweisen, dass Erdrutsche und Felsenstürze höchstwahrscheinlich nicht durch Meteoriteneinschläge, sondern durch Mondbeben verursacht werden. Für dauerhafte Mondbasen könnte das problematisch werden.

Mondbeben könnten für kommende Missionen ein Problem darstellen, sagen Forscher.
Mondbeben könnten für kommende Missionen ein Problem darstellen, sagen Forscher. Bild: NASA, 8. Juni, 1998

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse könnten die Planung künftiger Mondmissionen grundlegend infrage stellen. Demnach wurde die Oberfläche rund um den Landeplatz von Apollo 17 durch Mondbeben verändert, und nicht durch Meteoriteneinschläge wie zuerst angenommen. Erste Analysen deuten darauf hin, dass eine aktive geologische Verwerfung im Taurus-Littrow-Tal seit Millionen von Jahren Erschütterungen auslöst.

Das Taurus-Littrow-Tal befindet sich auf der erdzugewandten Seite des Mondes, im südöstlichen Mare Serenitatis. Das Tal wurde im Jahr 1972 bei der 17. Apollo-Mission angesteuert, bei der auch Gesteinsproben mit zur Erde genommen wurden.

Die Studie, veröffentlicht in Science Advances, zeigt anhand von Daten und Proben der Apollo-17-Mission, dass wiederholte seismische Aktivität das Gelände verschoben hat. Die Forschenden werten das als Warnsignal für zukünftige Mondprojekte, die nicht nur vorübergehend dort durchgeführt werden sollen.

Für die Untersuchung nahmen Smithsonian-Forscher Thomas R. Watters und Nicholas Schmerr von der University of Maryland ältere Missionsdaten und verknüpften diese mit modernen seismologischen Modellen. Besonders auffällig waren etwa Spuren von Felsstürzen, die nur durch deutliche Bodenbewegungen erklärt werden können. „Wir haben nicht die Art von Instrumenten, die wir auf der Erde haben, um starke seismische Aktivität direkt zu messen“, erklärt Schmerr.

Also mussten wir andere Wege finden, um abzuschätzen, wie stark die Bodenbewegung gewesen sein könnte – etwa durch Felsabbrüche oder Erdrutsche, die durch solche Ereignisse ausgelöst werden.

Das Forschungsteam konnte die Lee-Lincoln-Verwerfung als wahrscheinlichsten Verursacher der Beben ausmachen. Die junge Abschiebungslinie verläuft quer durch das Tal und war offenbar auch in den vergangenen 90 Millionen Jahren immer wieder aktiv. Die Mondbeben erreichten demnach eine Stärke von etwa 2,9 bis 3,3, was für die Erde eher harmlos wäre, aber auf dem Mond deutlich spürbar ist.

Langfristig riskant

Angesichts der Befunde warnen die Forscher, dass solche Erdbeben auch heute noch auftreten könnten. „Die globale Verteilung junger Abschiebungen wie der Lee-Lincoln-Verwerfung, ihre mögliche Aktivität und die Möglichkeit, dass sich durch die fortlaufende Kontraktion neue Verwerfungen bilden, sollten unbedingt berücksichtigt werden, wenn permanente Stützpunkte geplant werden“, mahnt Watters.

Taurus-Littrow-Tal und Herkunftsgebiete der Felsblöcke.
Taurus-Littrow-Tal und Herkunftsgebiete der Felsblöcke. Bild: Watters & Schmerr, 2025

Darum haben Watters und Schmerr für zukünftige Operationen eine neue Risikoabschätzung erstellt. Sie errechnet eine tägliche Wahrscheinlichkeit von 1 zu 20 Millionen für ein schädliches Beben nahe einer aktiven Verwerfung. Das klingt gering, doch über lange Aufenthalte summieren sich die Werte, sagt Schmerr.

Es klingt nicht nach viel, aber alles im Leben ist ein kalkuliertes Risiko. Das Risiko ist klein, aber nicht null – und bei langfristiger Infrastruktur kann man es nicht ignorieren.

Während kurzzeitige Missionen wie Apollo 17 kaum gefährdet sind, steigt das Risiko deutlich, sobald Raumfahrer Monate oder Jahre auf dem Mond verbringen. Neue Landefahrzeuge wie die mehrfach höhere Starship-HLS-Variante könnten zudem sensibler auf Bodenerschütterungen reagieren.

Artemis-Programm gefährdet?

Als besonders kritisch gilt die geplante dauerhafte Präsenz im Rahmen des Artemis-Programms. Mondhabitate, Labors oder Energieanlagen könnten durch Erschütterungen destabilisiert werden, wenn sie zu nah an einer Bruchkante stehen, erläutert Schmerr.

Wenn Astronauten nur einen Tag dort sind, bräuchte es extremes Pech für ein schädliches Ereignis. Doch wer ein Jahrzehnt dort lebt, hat 3650 Tage – und das Risiko steigt auf etwa 1 zu 5500.

Mit ihrer Arbeit stärken die Forscher das junge Fachgebiet der lunaren Paläoseismologie. Anders als auf der Erde können auf dem Mond kaum Bohrungen oder Grabungen durchgeführt werden, daher müssen frühere Erdbeben aus Oberflächenstrukturen und alten Missionsdaten rekonstruiert werden.

Von den Apollo-17-Astronauten Eugene Cernan und Harrison Schmitt untersuchte und beprobte Felsblöcke.
Von den Apollo-17-Astronauten Eugene Cernan und Harrison Schmitt untersuchte und beprobte Felsblöcke. Bild: Watters & Schmerr, 2025

Schmerr sieht große Chancen in neuen seismischen Netzen, die in kommenden Artemis-Missionen stationiert werden sollen. „Wir wollen sicherstellen, dass die Erforschung des Mondes sicher geschieht und Investitionen gut durchdacht sind“, so Schmerr. Seine wichtigste Schlussfolgerung lautet: „Baut nicht direkt auf einer Verwerfung.“ Je weiter ein Gebäude von einer steilen Abbruchkante entfernt sei, desto geringer sei auch die Gefahr.

Quellenhinweis:

Watters, T. R., & Schmerr, N. C. (2025): Paleoseismic activity in the moon’s Taurus-Littrow valley inferred from boulder falls and landslides. Science Advances, 11, 31.