Kaffeesatzleserei oder die Entstehung der Wettervorhersage!

„Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“. Ob der berühmte Satz wirklich von Mark Twain (1835 - 1910) stammt oder aus der Feder eines anderen, sei dahingestellt. Aber als Meteorologe in der Wettervorhersage kann man ihn oft nur zu gut nachempfinden, und zwar so gut, dass er sogar in dem Wettervorhersagezimmer (dem „Synoptikraum“) im Fachbereich der Universität Karlsruhe (TH), dem jetzigen Karlsruher Institut für Technologie hing.

Erde
Für eine verlässliche Vorhersage ist es notwendig sich zunächst ein recht vollständiges Bild über das aktuelle Wetterheschehen zu machen.


Nun, heutzutage kann man es sich leicht machen und leider wird das auch viel zu häufig praktiziert. Die Computermodelle der Wettervorhersage (das sind genauer bezeichnet die numerischen Wettervorhersagemodelle) spuken einerseits schon so (in ihren direkten Modellergebnissen) eine schöne Wetterverteilung mit Regen- oder Sonnensymbolen, Temperaturen und Windangaben sowie vielem mehr aus, dass man schon 1 zu 1 übernehmen kann. Daneben gibt es auch eine automatische statistische Aufbereitung, die sich einen langen Vergleich mit Beobachtungsdaten zunutze macht und dann eben das Wetter ausgibt, was man ebenfalls 1 zu 1 für die Vorhersage übernehmen kann. Doch gerade bei den Wetterlagen, wo es drauf ankommt, bzw. aus Meteorologensicht, wo es interessant wird, wird man vielfach Schiffbruch erleiden. Dann wird der leidige Spruch hervorgekramt, dass Meteorologe ein Job ist, bei den man was Falsches behauptet und trotzdem Geld dafür bekommt.

Auch wenn man – wie in der im Folgenden beschriebenen Vorhersagemethode sorgfältig arbeitet, werden Fehlvorhersagen vorkommen, aber diese werden deutlich weniger häufig auftreten und man tendiert dazu sattelfest die Unsicherheiten konkret klarzumachen. Es ist die anerkannte Arbeitsmethode, die letztlich die ‚Spreu vom Weizen' trennt und letztlich auch dem eigentlichen Drang des Menschen entspricht, die Zusammenhänge zu verstehen, die wiederum ja eigentlich das Ganze so spannend und so tief befriedigen.

Die Frage nach dem "Was"

So startet der meteorologische Vorhersageprozess damit, dass man sich ein recht umfassendes Bild über das aktuelle Wetter macht. Man betreibt eine regelrechte Zusammenschau des Wettergeschehens wobei das in der Meteorologie auch treffend als Synoptik (vom griechischen synoptikós ‚das Ganze zusammensehend‘) bezeichnet wird. In diesem fast wichtigsten und zeitlich umfangreichsten Schritt nutzt man aktuelle Wettermeldungen (gerne auch in Karten als Stationsmeldungen eingetragen) Satelliten- und Radarbilder, Webcams und vieles mehr oder schaut auch mal einfach aus dem Fenster und überblickt was gerade passiert. Welche Wetterphänomene kommen gerade vor? Es ist letztlich, das „Was?“ Der Vorhersager versucht dabei schon Muster zu erkennen und Gebiete mit ähnlichem Wetter zu verbinden. Hierbei sortiert er schon zwischen relevanten und Wetterphänomenen, die zwar auch letztlich eine Schönheit der Natur sicherlich offenbaren, aber für das weitere Geschehen nicht so wichtig sind.

Die Frage nach dem "Warum"

Im nächsten Schritt kommt das „Warum?“ ins Spiel. Welche physikalischen Prozesse laufen ab. Wie sind die Wetterphänomene, die man gerade beobachten kann, zustande gekommen? Wie ein Kommissar in einem Mordfall versucht man regelrecht dem physikalischen Zusammenspiel auf die Schliche zu kommen, dieses aufzudecken.


Bei Niederschlag gilt es beispielsweise erst einmal die Frage zu beantworten, welche Prozesse eben zur Wolken- und Niederschlagsbildung geführt haben. War es frontale Hebung oder spielt die Orografie (spielen Berge) eine Rolle. Haben wir einen dräsigen Kaltluftkörper auf den warme und feuchte Luft anläuft und nach oben ausweicht? Es ist der Prozess des ‚Verstehens‘, der uns Menschen ja irgendwie auch ausmacht und der so erhebend ist in dem Fall, wenn man die Zusammenhänge entschlüsselt. Man nutzt dabei die in der Metorologie gebräuchlichen sogenannten ‚konzeptionellen Modelle‘ um Zusammenhänge zu erklären und ins Geschehen einzuordnen. Man versucht, Muster wiederzuerkennen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, eine umfangreiche Erfahrung zu sammeln und sich auch nach jeder Vorhersage eingehend mit dem Wetter zu beschäftigen. Das Wetter regelrecht in seine Gedankenwelt aufzunehmen und das Drehbuch der Vorhersage, das ist der weitere Wetterablauf vorzubereiten.

Der kleine restliche Schritt zur Vorhersage

Die eigentliche Prognose ist dann nur die Fortführung der aktuellen Zusammenhänge mithilfe der Ausgabe der numerischen Wettervorhersage. Der Prognostiker hat sein Drehbuch nach der eingehenden Erarbeitung des ‚Warums‘ im Kopf und nutzt die Wettermodelle eher nur um sein mentales Drehbuch mit den physikalisch basierten Berechnungen abzugleichen, bzw. bei zu starken Unterschieden sich zu hinterfragen, wieso die Unterschiede zustandekommen und notfalls sein mentales Drehbuch entsprechend anzupassen.

Nebelmeer im Rheintal
Nur mit einer sorgfältigen Prognose werden auch so kleinräumige Phänomene, die von den Wettervorhersagemodellen traditionell schwerer erfast werden, gut vorhergesagt (Foto: Malte Neuper),

Letztlich kann man von der Wettervorhersage in ihrer vollendeten Form auch als hohe Kunst sprechen und manche Prognostiker sind wirklich wahre Künstler. Doch dahinter steckt immer viel Arbeit und der ehrliche und selbstkritische Umgang mit Fehlern. Denn Fehlprognosen passieren jedem, doch das Wichtige ist aus den Fehlern zu lernen, immer versuchen Neues zu lernen und in der Regel auch nie die kindliche Neugier und Faszination über die atmosphärischen Phänomene und ihren wundervollen Zusammenhängen zu verlieren.

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