Erstaunlich: Der Ukraine-Krieg wirkt sich auch auf die Klimaveränderungen aus!

Die russische Invasion der Ukraine richtet große Schäden durch Zerstörung von Häusern, Infrastruktur an. Die Zahl der zivilen und militärischen Opfer ist unbekannt. Was bedeutet der Krieg für die Umwelt und das Klima?

Klimafolgen betreffen die ganze Welt!
Klimafolgen auch durch Kriege betreffen die ganze Welt!

Klimawissenschaftler haben eine Schätzung abgegeben, wonach die Kriegshandlungen nach der russischen Invasion in die Ukraine in den ersten 12 Kriegsmonaten so viele Emissionen verursacht haben, wie die gesamten Emissionen von Belgien.

Während der gebrochene Staudamm in der Ukraine ein offenkundiger Beweis für die eine der katastrophalen Umweltfolgen des Krieges ist, zeigt der Bericht einer Gruppe von Wissenschaftlern die weniger offensichtlichen Treibhausgas-Emissionen, die der Konflikt direkt und indirekt verursacht.

In der Zusammenfassung der Initiative on GHG Accounting of War sind unter anderem die konfliktbedingten Emissionen aufgeschlüsselt, die über die direkte Kriegsführung hinausgehen. Der Bericht wurde in Bonn auf der Vorbereitungskonferenz führender Klimaschützer und Diplomaten für den diesjährigen UN-Klimagipfel in den Vereinigten Arabischen Emiraten veröffentlicht.

Sorgfältige Sektorenanalyse

Die Forschungsgruppe analysierte mehrere Sektoren, darunter Emissionen durch kriegsbedingte Brände, die Infrastruktur und Umwelt zerstören, die Zerstörung von Kohlenstoffsenken, den Wiederaufbau nach Konflikten, sowie Emissionen, die durch Fluchtbewegungen entstehen.

In den ersten zwölf Monaten des Ukraine-Krieges beliefen sich die Emissionen auf insgesamt 120 Millionen Tonnen CO2. Das ist etwas weniger als die jährlichen Treibhausgasemissionen von Belgien, das 2019 in der EU den siebthöchsten Ausstoß klimaschädlicher Gase aufwies. Der Bericht befasst sich auch mit den Klima-Auswirkungen nach dem hoffentlich baldigen Ende des Krieges.

Mit einem aggressiven Nachbarn im Osten werde Europa stark aufrüsten müssen, um eine ausreichende Abschreckung zu schaffen, betonte der Hauptautor des Berichtes, Lennerd de Clerk in einem Interview mit der DW. Ein deutlich stärkeres Militär in Europa werde dazu führen, dass die Emissionen in einer Zeit steigen werden, in der sie eigentlich sinken müssen. Das notwendige massive Wiederaufbauprogramm der zerstörten Infrastrukturen in der Ukraine werde die Emissionen ebenfalls weiter erhöhen.

Auf den schon jetzt in Teilen stattfindenden Wiederaufbau entfielen im ersten Jahr des Krieges rund 42 Prozent der gesamten konfliktbedingten Treibhausgasemissionen. Dies begründet de Clerk damit, dass sehr kohlenstoffintensiver Beton sowie Stahl beim Neubau und der Sanierung von Gebäuden genutzt werde. Damit sei der Wiederaufbau schon jetzt die bei weitem größte Emissionsquelle an Treibhausgasen.

Direkte Treibhausgasemissionen durch Kriegsführung

Die zweithöchste Emissionsquelle entfällt auf die eigentliche Kriegsführung, hauptsächlich durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe wie Diesel und Benzin. De Clerk merkt an, dass wegen mangelnder Transparenz der beteiligten Armeen keine genauen Daten zum Verbrauch fossiler Brennstoffe zur Verfügung standen. Im ersten Kriegsjahr wurden die meisten direkt kriegsbedingten Emissionen militärischer Aktivitäten durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe russischer Streitkräfte verursacht. Der Ukrainekrieg ist vor allem ein Bodenkrieg. Dieselkraftstoff ist deshalb die Hauptquelle der Emissionen. Im Irakkrieg war Kerosin, also Flugbenzin, die Hauptquelle der CO2-Emissionen.

Lennerd de Clerk nahm an den Bonner Klimaverhandlungen als Teil einer Forschergruppe teil, die sich mit dem Global Stocktake beschäftigen. Diese weltweite Bestandsaufnahme steht auch bei der kommenden Klimakonferenz COP28 in Dubai Ende des Jahres auf der Agenda.

Militärische Emissionen im Krieg nicht transparent

Die Messung von THG-Emissionen laufender Konflikte ist schwierig. Die Forscher hatten sich deshalb vor allem auf Daten des weltweiten regulären Mililtärbetriebs konzentriert.

Deborah Burton, Expertin für Konfliktemissionen bei der in den USA ansässigen gemeinnützigen Organisation Tipping Point North South erwähnte gegenüber der DW, dass die großen, von fossilen Brennstoffen abhängigen Militärs der Welt mit einem Anteil von geschätzten 5,5 Prozent an den globalen Emissionen einen bedeutenden Anteil hätten und eine deutliche Reduzierung für eine Begrenzung des Klimafolgen notwendig sei. Treibstoffverbrauch durch Armeen, Brände, der Einsatz von Munition und Schäden an der Infrastruktur sowie des gesamten Wiederaufbaus als Kriegsfolgen sind in der UN-Emissionsbilanz bisher nicht enthalten.

Klimaziele durch Kriegsemissionen erheblich gefährdet

Die jährlichen Emissionen des US-Militärs, der größten Armee der Welt, sind mittlerweile höher als die nationalen Emissionen von ganzen Ländern wir etwa Schweden oder Dänemark. Dies hatten Wissenschaftler bereits im Jahr 2017 berechnet. Es wird geschätzt, dass die reichen Länder der Welt im Jahre 2020 sechsmal mehr für das Militär ausgeben würden als für die öffentliche Klimafinanzierung.

Die die durch Kriege verursachten Emissionen verschlimmern die Folgen für das Klima. Ohne Zweifel sind Opferzahlen und Umweltschäden die direkt sichtbarsten Kriegsfolgen. Dieser Artikel soll auf der Basis des Berichts von de Clerk und seiner Forschergruppe zusätzlich auf die Vielzahl an Emissionsquellen hinweisen, die mit der Führung eines Krieges verbunden sind. De Clerk betonte, dass der Bericht zeigen wolle, dass die Aggression Russlands nicht nur Auswirkungen auf die Ukraine habe, sondern am Ende auch auf die ganze Welt, die mit den Folgen der Klimaveränderungen konfrontiert sei.