Ändert sich die Rotation der Erde? Jetzt können wir es Stunde für Stunde erfahren!

Forschern ist es gelungen, die Erdrotation so genau wie nie zuvor zu messen. Die Messungen werden dazu beitragen, die Position der Erde im Weltraum zu bestimmen, die Klimaforschung zu unterstützen und Klimamodelle zuverlässiger zu machen.

Laser Erdrotation
Jede Seite des Laserrings im Keller des Wettzell-Observatoriums misst vier Meter.

Wollen Sie mit hoher Zuverlässigkeit wissen, wie hoch die Rotationsgeschwindigkeit der Erde in den letzten Stunden war? Was bis vor kurzem noch unmöglich war, können Sie jetzt am Geodätischen Observatorium Wettzell tun.

Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben einen Ringlaser so verbessert, dass er tagesaktuelle Daten liefern kann, was bisher nicht in vergleichbarer Qualität möglich war, heißt es in einer Erklärung.

Die Erde dreht sich auf ihrer Reise durch den Weltraum mit leicht unterschiedlichen Geschwindigkeiten um ihre Achse. Außerdem ist die Achse, um die der Planet rotiert, nicht völlig statisch, sondern wackelt ein wenig. Das liegt daran, dass unser Planet nicht vollständig fest ist, sondern aus mehreren Bestandteilen besteht, von denen einige fest und andere flüssig sind. Daher ist das Innere der Erde ständig in Bewegung. Diese Massenänderungen beschleunigen oder verlangsamen die Rotation des Planeten, Unterschiede, die mit Messsystemen wie dem Ringlaser der TUM nachgewiesen werden können.

"Rotationsschwankungen sind nicht nur für die Astronomie wichtig, wir brauchen sie auch dringend, um genaue Klimamodelle zu erstellen und meteorologische Phänomene wie El Niño besser zu verstehen. Und je genauer die Daten sind, desto genauer sind auch die Vorhersagen", sagt Professor Ulrich Schreiber, der das Projekt an der TUM-Sternwarte geleitet hat.

Überarbeitete Sensoren und Korrektur-Algorithmus

Demnach wurde bei der Entwicklung des Ringlasersystems auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Größe und mechanischer Stabilität geachtet, denn je größer ein Gerät dieser Art ist, desto empfindlicher sind die Messungen, die es durchführen kann. Die Größe bedeutet jedoch Kompromisse in Bezug auf die Stabilität und damit die Präzision.

Eine weitere Herausforderung war die Symmetrie der beiden gegenläufigen Laserstrahlen, dem Herzstück des Wettzell-Systems. Eine genaue Messung ist nur möglich, wenn die Wellenformen der beiden gegenläufigen Laserstrahlen nahezu identisch sind. Die Konstruktion des Geräts bringt es jedoch mit sich, dass es immer eine gewisse Asymmetrie gibt. In den letzten vier Jahren ist es Geodäten mit Hilfe eines theoretischen Modells der Laserschwingungen gelungen, diese systematischen Effekte so weit zu erfassen, dass sie über einen langen Zeitraum genau berechnet und damit aus den Messungen eliminiert werden können.

Die Messungen des Geräts sind viel genauer

Das Gerät kann mit diesem neuen Korrektur-Algorithmus die Erdrotation mit einer Genauigkeit von bis zu 9 Dezimalstellen messen, was einem Bruchteil einer Millisekunde pro Tag entspricht. In Bezug auf Laserstrahlen entspricht dies einer Unsicherheit von der zwanzigsten Dezimalstelle der Lichtfrequenz und ist über mehrere Monate stabil.

Insgesamt erreichten die beobachteten Schwankungen von Anstieg und Abfall Werte von bis zu 6 Millisekunden in Zeiträumen von etwa zwei Wochen.

Dank der Verbesserungen am Laser sind nun auch wesentlich kürzere Messperioden möglich. Neu entwickelte Abhilfemaßnahmen ermöglichen es dem Team, alle drei Stunden aktuelle Daten zu erfassen.

Ringlaser messen die Interferenz zwischen zwei Laserstrahlen

Die Ringlaser bestehen aus einem quadratischen und geschlossenen Strahlengang mit vier Spiegeln, die vollständig von einem Keramikkörper, dem sogenannten Resonator, umschlossen sind. Dadurch wird verhindert, dass sich die Länge des Strahlengangs aufgrund von Temperaturschwankungen ändert. Ein Helium-Neon-Gasgemisch im Inneren des Resonators ermöglicht die Anregung der Laserstrahlen, einer im Uhrzeigersinn und einer gegen den Uhrzeigersinn.

Laser Erdrotation
Am Äquator dreht sich die Erde jede Stunde um 15 Grad in Richtung Osten.

Ohne die Bewegung der Erde würde das Licht in beide Richtungen die gleiche Strecke zurücklegen. Da sich das Gerät jedoch mit der Erde bewegt, ist die Entfernung für einen der Laserstrahlen kleiner, da die Erdrotation die Spiegel näher an den Strahl bringt. In die entgegengesetzte Richtung legt das Licht eine proportional größere Entfernung zurück.

Durch diesen Effekt entsteht ein Unterschied in den Frequenzen der beiden Lichtwellen, deren Überlagerung eine Pulsnote erzeugt, die mit großer Genauigkeit gemessen werden kann. Je höher die Geschwindigkeit ist, mit der sich die Erde dreht, desto größer ist der Unterschied zwischen den beiden optischen Frequenzen. Am Äquator dreht sich die Erde jede Stunde um 15 Grad in Richtung Osten. Dies erzeugt im TUM-Gerät ein Signal von 348,5 Hz. Schwankungen in der Dauer eines Tages zeigen sich mit Werten von 1 bis 3 Millionstel Hz (1 - 3 Mikrohertz).

Jede Seite des Laserrings im Untergeschoss des Wettzell-Observatoriums misst vier Meter. Diese Konstruktion ist an einer massiven Betonsäule verankert, die in etwa sechs Metern Tiefe auf dem festen Gesteinsbett der Erdkruste ruht. Damit ist gewährleistet, dass die Rotation der Erde der einzige Faktor ist, der die Laserstrahlen beeinflusst, und andere Umweltfaktoren ausgeschlossen sind. Die Konstruktion ist durch eine Druckkammer geschützt, die Änderungen des Luftdrucks oder der gewünschten Temperatur von 12 °C ausgleicht und diese automatisch kompensiert. Um diese Einflussfaktoren zu minimieren, befindet sich das Labor in einer Tiefe von fünf Metern unter einem künstlichen Hügel. Fast 20 Jahre Forschungsarbeit wurden in die Entwicklung des Messsystems investiert.

Quellenhinweis
Schreiber, K.U., Kodet, J., Hugentobler, U. et al. Variations in the Earth's rotation rate measured with a ring laser interferometer. Nat. Photon. (2023)

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