Haareis - eine filigrane Angelegenheit

Einem sehr seltenen Phänomen kann man an schneefreien Tagen im Wald begegnen: dem Haareis. Wie entsteht dieses Phänomen überhaupt?

Haareis Eis Gefrierpunkt Phänomen
Haareis findet sich im Wald auf Totholz. Quelle: wikimedia.org

Wie der Name schon verrät, hat dieses Eis eine spezielle Form. Es ist sehr dünn und sieht aus wie menschliches Haar. Manchmal erinnert es auch ein wenig an Zuckerwatte. Dem Haareis kann man am ehesten im Wald begegnen. Man sieht es vor allem an schneefreien Tagen, wobei die Lufttemperatur gerade etwas unterhalb von 0°C liegen sollte. Dann kann man im Wald auf morschen und feuchtem Buchen- oder Eichenholz die filigranen Eisstrukturen entdecken.

Gut erkennbar ist das weiße Haareis auf dem dunkelbraunen Waldboden. Es besteht aus dicht stehenden, bis zu 10cm langen Eishaaren, die sich auf Totholz bilden. Die Eishaare finden sich oft an Stellen, die bereits frei von Rinde sind oder an Stellen, wo sich die Rinde gerade vom Holz löst. Manchmal wird das Abheben der Rinde durch den Druck des darunterliegenden Eises begünstigt. Die Haare selbst sind entweder glatt mit seidigem Glanz oder haben eine raue, leicht filzige Oberfläche. Die Dicke der Haare beträgt etwa 0,01 bis 0,1 Millimeter. Sobald die Temperatur über den Schmelzpunkt steigt, wird es watteartig und vor dem Schmelzen degeneriert das Haareis zu einer schneeartigen Masse.

Lange ist die genaue Entstehung unklar

Die Frage nach der Entstehung von Haareis besteht schon seit einiger Zeit, aber es gab lange Zeit Unsicherheit darüber, wie es genau entsteht. Schon im Jahr 1918 stellte Alfred Wegener eine Theorie über die Entstehung von Haareis auf. Da er Haareis nur auf einigen herumliegenden Ästen beobachten konnte, vermutete er einen schimmelartigen Pilz als Mitverantwortlichen. Damals herrschte noch die allgemeine Überzeugung, dass das Eis aus der Atmosphäre stammt. Wegener hingegen war davon überzeugt, es komme aus dem Holz.

Andere Wissenschaftler hatten lange Zeit eine andere Überzeugung als Wegener. Sie sahen die Entstehung als rein physikalisch an und maßen Pilzen keine Bedeutung bei. Allerdings konnten Experimente dies nicht bestätigen. Experimente mit entrindeten, in Wasser getränkten Ästen zeigten lediglich einen weißen Überzug, jedoch kein Haareis. Bei mitgebrachten Buchenästen hingegen trat Haareis auf.

Pilze als Urheber

Gerhart Wagner hat in jüngerer Zeit bedeutende Beiträge zur Erforschung des Phänomens geleistet und konnte Wegeners Theorie weitgehend bestätigen. Es ist heute klar, dass sich das Eis an Totholz bildet, wobei die Rinde bereits abgelöst oder dabei ist sich abzulösen. Das Wasser zur Bildung von Haareis stammt aus dem Holz, wobei der Stoffwechsel von Pilzen maßgeblich daran beteiligt ist. Dies konnte mit Experimenten nachgewiesen werden, bei denen das Totholz mit Fungiziden, Alkohol oder Hitze behandelt wurde, was die Bildung von Haareis unterdrückte.

Der Stoffwechsel der Pilze lässt CO2 entstehen, was zu einer CO2-Übersättigung im Wasser führt. Der daraus resultierende Gasdruck wirkt als treibende Kraft,um das Wasser aus dem Holz zu drücken. Dies erfolgt über sogenannte Holzstrahlen, radial nach außen verlaufende dünnwandige Zellen, die ein dichtes System feiner Kanäle bilden. Dies erklärt auch das feine Erscheinungsbild des Haareises.

Auch begünstigt das organische Material die Bildung des Eises. Allerdings ist die Bildung des Eises teils äußerst fragil, da es maßgeblich von den äußeren Bedingungen abhängt. Obwohl sich das Eis nicht aus dem Wasser der Atmosphäre bildet, spielt dieses eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Haareis. Nicht nur das Holz muss mit Wasser gesättigt sein, sondern auch die Umgebungsluft. Sollte dies nicht der Fall sein, würde das Haareis sehr schnell sublimieren und der filigrane Eisflaum würde sehr schnell wieder verschwinden. So fein wie die Erscheinung des Haareises selbst sind also auch die Bedingungen, unter denen Haareis entstehen kann.

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